Was die Rückkehr des Heidentums mit der Kindstötung zu tun hat

T.S. Eliot hatte 1939 in einer Reihe von Vorlesungen an der Universität von Cambridge eine berühmt gewordene Weggabelung beschrieben. Die westliche Zivilisation könnte den christlichen Weg weitergehen, sagte er voraus, oder sie könnte das „moderne Heidentum“ annehmen. Eliot, der zum Christentum konvertiert war, hoffte auf das Erstere, befürchtete aber, dass wir uns bereits auf das Letztere eingestellt haben.

Die britische Journalistin Louise Perry beschreibt in einem Artikel für FirstThings, dass die Wiederkehr der Kindstötung, die – wie wir wissen – durch das Christentum verdrängt wurde und nun etwa in Kanada wieder erlaubt werden soll, singnalisieren könnte, dass das Heidentum mit aller Wucht zurückkehrt ist. Das läge auch daran, dass das Christentum in mancher Hinsicht immer heidnisch geblieben sei.

Sie schreibt: 

Eliots Dualismus ist die Grundlage eines 2018 erschienenen Buches des Rechtshistorikers Steven Smith mit dem Titel Pagans and Christians in the City. Man könnte vernünftigerweise fragen, warum unsere Wahlmöglichkeiten auf diese beiden Optionen beschränkt sein sollten, nämlich Heiden oder Christen zu sein. Wenn wir das Christentum vollständig aufgeben, so sagen die säkularen Reformer, sollte das dann nicht den Weg für eine neuere und bessere Leitphilosophie frei machen?

Während Kanada [im Blick auf die gewünschte Sterbehilfe] immer mehr auf die schiefe Bahn gerät, wird in der kanadischen Regierung bereits in aller Ruhe über die Legalisierung der Kindstötung diskutiert. Im Oktober erklärte Louis Roy vom Quebecer Ärztekollegium vor dem „Gemeinsamen Sonderausschuss für ärztliche Sterbehilfe“, dass Eltern die Möglichkeit haben sollten, den Tod von Säuglingen bis zu einem Jahr zu arrangieren, wenn „sehr schwere und schwerwiegende Syndrome“ festgestellt werden. Wenn die Kindstötung wieder legalisiert wird – zuerst in Kanada und dann unweigerlich in der ganzen entchristlichten Welt – werden wir mit Sicherheit wissen, dass sich das Christentum in die Katakomben zurückgezogen hat. Und das Datum wird, so vermute ich, als eine klare historische Linie angesehen werden: der Moment, in dem wir an T.S. Eliots Weggabelung angekommen sind und den älteren, dunkleren Weg gewählt haben.

Das Christentum wird oft als Wasser vorgestellt. „Aber das Recht fließe wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein immerwährender Strom“: die Worte aus Amos 5,24, die von Martin Luther King Jr. neu interpretiert wurden. „Wer an mich glaubt“, verspricht Christus, „aus seinem Herzen werden Ströme lebendigen Wassers fließen.“ Wasser tauft, spendet Leben, löscht den Durst, reinigt den Schmutz, vertreibt die Flammen, verwandelt die Dinge zum Besseren. Wenn das Christentum Wasser ist, dann ist es eine unaufhaltsame Kraft: Es fließt nach unten und sickert nach oben, egal wie groß das Hindernis ist.

Was aber, wenn das Christentum kein Wasser ist? Was wäre, wenn wir stattdessen das christliche Zeitalter als eine Lichtung in einem Wald verstehen? Der Wald ist das Heidentum: dunkel, wild, kraftvoll und bedrohlich, aber auf seine Weise auch magisch. Zweitausend Jahre lang haben die Christen den Wald zurückgedrängt, mit Brennen und Hacken, aber auch mit Beschneiden und Kultivieren, um auf der Lichtung einen Garten mit Blick zum Himmel zu schaffen.

Aber sehen Sie, wie sich die Wurzeln ausbreiten und neue Triebe aus dem Boden sprießen. Das Stückchen Himmel weicht zurück. „Das Heidentum musste nicht neu erfunden werden“, schreibt Steven Smith: Es ist nie verschwunden. „In gewissem Sinne ist die westliche Welt wohl immer mehr heidnisch als christlich geblieben. In mancher Hinsicht war das Christentum eher eine Verkleidung als eine substantielle Realität.“

Da es niemanden mehr gibt, der den Garten pflegt, erobert sich der Wald seinen Boden zurück.

Mehr: www.firstthings.com.

Brauchen wir noch Partner?

Freier als jemals zuvor wählen die Menschen heute zwischen vielen Spielarten von Beziehungen. Caroline Jebens und Elena Witzeck haben für die FAZ in dem Artikel „Brauchen wir wirklich noch die eine Person an unserer Seite?“ die neuesten Trends, zu denen Liebe auf Distanz, Polyamorie und Queerness gehören, zusammengetragen. Die Kategorie des Ehebundes verliert weiter an Bedeutung. Wichtig ist heute die stetige Aushand­lung (vgl. auch hier). Queere Lebensweisen böten – so wird Katja Kullmann zitiert –  auch Chancen für heteronormative Beziehungen:

Sind Paarbeziehungen unattraktiver geworden, seit Frauen emanzipierter sind? Im Durchschnitt halten Ehen heutzutage fast 15 Jahre, mehr als die Hälfte der Scheidungsanträge werden von Frauen gestellt. Laut dem Statistischen Bundesamt steigt vor allem die Zahl der Scheidungen nach der Silberhochzeit. Eine Studie der Universität Bern begründet den Zeitpunkt damit, dass nach dem Renteneintritt manche Paare in eine Krise geraten: zu viel Zeit – und zu wenig zu sagen. Trennt sich ein Paar in diesem Alter, tun es ihm befreundete Paare gleich. Entsteht in dieser Hinsicht ein neuer Mut bei der Aussicht, die späteren Lebensjahre mit Freunden zu verbringen? „Leute trauen sich, für sie als schlecht empfundene Beziehungen aufzulösen und sich jemand anderem zuzuwenden.“ Und das, sagt Kullmann, sei doch wohl eine gute Nachricht.

Neben der Emanzipation seien es vor allem queere Lebensweisen, die die Vorstellung davon, wie wir lieben und leben wollen, verändern. Kullmann sieht darin eine „Chance für heteronormative Beziehungen“: Wenn infrage gestellt wird, was Mannsein und Frausein eigentlich bedeutet und wie man sich innerhalb einer Beziehung verhält, könne das auch für konventionelle Paare befreiend sein. Mit der Queerness haben sich auch neue Lebensmodelle entwickelt, die oft viel pragmatischer aushandeln, wie man zusammenlebt. Alleinerziehende zum Beispiel, die sich mit Kinderlosen Wohnraum und Aufgaben teilen. Und historisch ist das noch nicht einmal Avantgarde: Bis zur Sesshaftigkeit, aus der die Ehe entstand, lebten Menschen in Sippschaften, in denen sich, vereinfacht gesagt, alle um alle kümmerten.

Ich glaube, dass auf die christlichen Gemeinden hier große Aufgaben zukommen. Wir brauchen also nicht nur eine Apologetik der christlichen Sexualethik, sondern auch eine Verteidigung der christlichen Ehe und Familie. Wünschenswert wäre, wenn diese Apologetik durch anziehende und mutmachende Ehen flankiert würde. Die jungen Leute, die heute in das Abendteuer Ehe starten, brauchen Vorbilder.

Mehr (hinter einer Bezahlschranke): www.faz.net.

Melanchthon über die Zwickauer Propheten

Wittenberg ist der Ausgangspunkt der Reformation. Martin Luther lebte mehr als die Hälfte seines Lebens in dieser Stadt. Dort, wo der Heilige Geist durch das Wort Menschen zu geistlichem Leben erweckt, schießen manchmal einige über das Ziel hinaus. Im Umfeld der Wittenberger Reformation tauchten Leute auf, die vorgaben, laufend besondere Botschaften von Gott zu empfangen. Im Dezember 1521 hatte sich die Lage in Wittenberg krisenhaft zugespitzt. Karlstad feierte am ersten Weihnachtstag trotz Verbots das Abendmahl in deutscher Sprache mit beiden Elementen Brot und Wein. Am 27. Dezember tauchten die sogenannten Zwickauer Propheten Nikolaus Storch, Thomas Drechsel sowie der ehemalige Wittenberger Student Markus Thomae (genannt Stübner) bei Melanchthon auf und erzählten von persönlichen Gesprächen, die sie mit Gott führten. Melanchthon war beeindruckt und besorgt zugleich. Einerseits wollte er den Geist nicht dämpfen, andererseits erahnte er, dass hier etwas nicht stimmt und Verwirrung folgen wird. Melanchthon sah sich genötigt, dem Kurfürsten von Sachsen eine Warnung zukommen zu lassen. 

Ich zitiere aus dem Schreiben (Heiko A. Oberman (Hg.), Die Kirche im Zeitalter der Reformation: Kirchen- und Theologiegeschichte in Quellen, 2004, S. 82):

Eurer durchlauchtigsten Hoheit wünsche ich die Gnade und den Frieden Christi!

Eure Hoheit halte es mir zugute, daß ich wage, an Euch zu schreiben; mich zwingen wichtige und gefährliche Vorgänge, die jetzt alle Aufmerksamkeit und Fürsorge Eurer Hoheit erfordern. Es handelt sich um folgendes, was ich Euch unbedingt vortragen muß: Eurer Hoheit ist nicht unbekannt, wie viele gefährliche Meinungsverschiedenheiten [dissensiones] aller Art im Hinlick auf das Wort Gottes in Eurer Hoheit Stadt Zwickau entstanden sind. Man hat dort ja auch Leute in Gewahrsam genommen, die alle möglichen Veränderungen angestrebt haben. Von den Urhebern dieser Unruhen sind nun drei Männer hier [in Wittenberg] aufgetaucht, zwei ungebildete Tuchknappen und ein Gelehrter [literatus]. Ich habe sie angehört; was sie von sich sagen, klingt recht wunderlich [mira]: Sie seien durch einen eindeutigen Auftrag [clara voce] Gottes zum Lehren ausgesandt worden; zwischen ihnen und Gott gebe es traute [familiaria] Gespräche; sie könnten die Zukunft vorhersehen; kurz: sie seien Propheten und Apostel. Ich kann kaum sagen, wie stark mich das beeindruckt. Jedenfalls hindern mich gewichtige Gründe daran, sie unbeachtet zu lassen [contemni nolim]. Denn es gibt zahlreiche Hinweise dafür, daß sie von irgendwelchen Geistern ergriffen sind; aber diese kann nur Martinus sicher beurteilen. Da deshalb jetzt das Evangelium und zugleich Ehre und Friede der Kirche auf dem Spiel stehen, muß man sich mit allen Mitteln bemühen, daß die Leute mit Martinus zusammenkommen; denn auf ihn berufen sie sich.

Ich würde Eure Hoheit nicht mit diesem Brief belästigen, wenn die Sache nicht so wichtig wäre, daß sie eine rasche Entscheidung erforderte. Auf der einen Seite müssen wir uns hüten, den Geist Gottes zu dämpfen [1 Thess 5,19], auf der anderen dürfen wir uns aber auch nicht vom Satan gefangennehmen lassen. Der Herr bewahre Eure Hoheit zum Wohl seiner Kirche bis ins hohe Alter.

Am Tage Johannes des Evangelisten 1522 [= 27. Dezember 1521].

Eurer Hoheit ergebener

Philipp Melanchthon

Links ist nicht woke

Die amerikanische Philosophin Susan Neiman, Autorin des Buches Links ≠ woke, ist davon überzeugt, das die Linke der Gegenwart mit ihrer „Wokeness“ die linken Ideale verraten hat. Die identitätspolitischen Debatten zeugen von einem Verrat am Univeralismus (alle Menschen sind gleich). Die NZZ schreibt: 

Linke, die nur noch über Rasse und Gender redeten, statt sich den tatsächlich entscheidenden wirtschaftlichen Ungleichheiten zu widmen, hätten sich, so Neimans Vorwurf, von den Zielen linker Politik verabschiedet.

Und nicht nur das. Sie verrieten auch die philosophischen Ideen, die für das Selbstverständnis der Linken von zentraler Bedeutung seien: das Bekenntnis zum Universalismus, die Unterscheidung zwischen Gerechtigkeit und Macht und die Überzeugung, dass Fortschritt möglich sei. Eine Linke, die woke ist, ist für Neiman nicht mehr links. Und Woke dürfen nicht beanspruchen, für die Linke zu sprechen.

Mehr: www.nzz.ch.

Russland: Zweite Haftstrafe für Meinungsäußerung gegen Ukrainekrieg aus religiösen Gründen

Ioann Kurmoyarov, ein orthodoxer Priester, der die russische Invasion der Ukraine auf seinem YouTube Kanal verurteilte, wurde am 31. August 2023 wegen „Verbreitung falscher Informationen über die russischen Streitkräfte“ zu drei Jahren Haft in einem Arbeitslager allgemeinen Regimes verurteilt. Bei diesem Urteil eines Gerichts in St. Petersburg gegen den 55-jährigen Kurmoyarov handelt es sich um die zweite Verurteilung einer Person wegen aus religiösen Gründen vorgebrachten Einwänden gegen den Ukrainekrieg. Im März wurde Mikhail Simonov aus demselben Grund zu sieben Jahren Haft verurteilt.

In mehr als sechzig Videos auf seinem Kanal „Orthodoxe Virtuelle Pfarrer“ argumentierte Ioann Kurmoyarov, dass alle Christen gegen die Invasion sein sollten und beschuldigte die russischen Truppen, Verbrechen zu begehen. In seinem Schlusswort beim Prozess erklärte er: „Nach meiner Meinung kann ein Christ dem Leiden von Menschen, insbesondere von Kindern, nicht gleichgültig zusehen, unabhängig davon, wodurch es verursacht wurde“. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung ist noch nicht bekannt, ob der Staatsanwalt, der sieben Jahre Haft für Kurmoyarov gefordert hatte, Berufung gegen das Urteil einlegen wird. Zusätzlich zu der Haftstrafe wurde gegen Kurmoyarov ein Verbot ausgesprochen, zwei Jahre lang etwas ins Internet zu stellen.

Am 31. Mai hatte Kurmoyarov aus der Untersuchungshaft in einem offenen Brief geschrieben: „Ich habe die Militärische Sonderoperation als persönliche Tragödie erlebt, denn auf beiden Seiten des Konflikts stehen einander Menschen desselben Bluts und Glaubens gegenüber, oft Angehörige derselben orthodoxen Kirche“ … „Wie jeder normale Mensch und umso mehr als Christ wollte ich alles in meiner Macht Stehende tun, damit dieser Konflikt so bald wie möglich endet und Friede kommt.“ Ioann Kurmoyarov wurde bereits im Juni 2022 festgenommen und nach dem neuen Artikel 207.3, Teil2, Absätze G und D des Strafgesetzbuchs angeklagt. Diese Gesetzesstelle wurde nach der Invasion eingeführt, um die öffentliche Verbreitung von „Falschinformationen“ über die russischen Streitkräfte „aus selbstsüchtigen Motiven“ und „aus Gründen politischen, ideologischen, rassischen, nationalen oder religiösen Hasses bzw. Feindschaft oder aus Hass oder Feindschaft gegen eine Gruppe der Gesellschaft“ zu bestrafen. Die Höchststrafe dafür beträgt 10 Jahre Haft.

Der Priester befindet sich noch bis zur Rechtskraft seines Urteils in einem Gefängnis in St. Petersburg, wo er bereits seine Untersuchungshaft verbracht hat. Er beklagte, dass ihm dort eine angemessene medizinische Behandlung verweigert wird, und dass er auf ein „vorbeugendes Register von zu Extremismus und Terrorismus neigenden Häftlingen“ gesetzt wurde, obwohl die Anklage gegen ihn nichts mit Extremismus oder Terrorismus im Sinne des russischen Rechts zu tun hatte.

Sein Status als Priester des Moskauer Patriarchats wurde Kurmoyarov bereits am 1. April 2020 wegen eines Konflikts mit der Diözese Novosibirsk entzogen, wo er von 2018 bis 2020 als Lektor des Seminars gewirkt hatte. Die Ursache des Konflikts war seine öffentliche Kritik an der Errichtung der Russischen Hauptkirche der Streitkräfte anlässlich des 75. Jahrestages des Sieges über Nazideutschland.

Seit Ausbruch des Krieges wurden bereits in mehreren Fällen Geldstrafen gegen Personen verhängt, die Kritik am Ukrainekrieg geäußert hatten.

Am 8. August 2023 kam es zu einer Razzia in der Wohnung des Baptistenpastors und ehemalischen Vorsitzenden des russischen Baptistenbundes Yury Kirillovich Sipko, dem dieselben „Vergehen“ zur Last gelegt werden, wie Ioann Kurmoyarov. Man konnte ihn jedoch nicht festnehmen, da er Russland bereits verlassen hatte. Daraufhin wurde er auf die Fahndungsliste des Innenministeriums gesetzt.
 Am 29. Juni 2023 wurde der Wehrdienstverweigerer aus Gewissensgründen Andrey Kapatsyna, Angehöriger einer Pfingstgemeinde, zu zwei Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt, weil er einen Kampfeinsatz in der Ukraine verweigert hatte. Er hatte gegenüber den Kommandanten erklärt, er könnte gemäß seiner religiösen Überzeugung keine Waffen ergreifen und gegen andere Menschen einsetzen.

Quelle: Forum 18, Oslo (Bericht vom 8. September 2023, Deutsche Fassung: Arbeitskreis Religionsfreiheit der ÖEA).

Siehe zum Thema auch einen Beitrag der FAZ

Paul Minot: Was ist mit der Psychiatrie los?

Ich zitiere mal aus einem Twitterbeitrag von Paul Minot: 

Ich bin seit 38 Jahren in der Psychiatrie tätig. Ich liebe meine Arbeit, meine Kollegen und meine Patienten. Aber ich bin zu dem Schluss gekommen, dass ich an dem größten intellektuellen Betrug dieser Zeit beteiligt bin. Wir behaupten, eine Wissenschaft zu sein, haben aber keine Ahnung, wie Gedanken oder Verhalten entstehen. Viele Milliarden Dollar werden jedes Jahr in einer Industrie ausgegeben, die auf einer korrupten Pseudowissenschaft aufbaut, die seit Jahrzehnten von Geldgebern kultiviert und ausgenutzt wird. 

Bei dem Versuch, ein korporatistisches, medikamentenorientiertes Behandlungsmodell zu verkaufen, war die Psychiatrie erstaunlich erfolgreich, neu zu definieren, was es bedeutet, ein menschliches Wesen zu sein. In der Zwischenzeit haben 20 Jahre Spitzenpsychiatrie zu einem 30%-igen Anstieg der Selbstmorde in den Vereinigten Staaten geführt – und die amerikanische Psychiatrie hat absolut nichts Konstruktives dazu zu sagen.

Mehr: threadreaderapp.com.

Johnny Cash: „Oh, I am weak, oh, I know I am vain.“

Heute, vor 20 Jahren, ist Johnny Cash gestorben. Ueli Bernays hat für die NZZ einen anrührigen Artikel über die Entstehung seines Alterswerks „American Recordings“ geschrieben. Darin heißt es:

Der Titelsong von «Unchained» aber verbreitete bereits Bitterkeit. Rastlos und sinnlos habe man die Zeit durchgebracht, meint hier ein lyrisches Ich, das deshalb klagt und weint: «Oh, I am weak, oh, I know I am vain.» Da scheint allein der Tod noch für Erleichterung sorgen zu können. Noch wechselte Johnny Cash ab zwischen elegischem und tröstlichem Tonfall. Auf «Solitary Man» dominierte aber eine morbide Grundstimmung. Songs wie «I See a Darkness» (von Will Oldham) und «The Mercy Seat» (von Nick Cave) handeln von Verzweiflung und Todesangst.

Dann verdunkelten sich nach der Jahrhundertwende gleichzeitig Johnny Cashs Welt und seine Existenz; seine düsteren Elegien erschienen rückblickend wie ein böses Omen. Terroranschläge erschütterten das gelobte Land Amerika. Johnny Cash, der seine Gesundheit lange durch Alkohol und andere Gifte strapaziert hatte, wurde immer mehr von Asthma und Parkinson-ähnlichen Leiden geplagt. Und als im Mai 2003 seine geliebte Gattin June gestorben war, blieb ihm angesichts des eigenen Todes nur die Zwiesprache mit seinem Jesus.

Mehr: www.nzz.ch.

Der Neue Atheismus ist fast tot

Stefani McDade berichtet für CT über neue eine ausgewogener Religionskritik als die des Neuen Atheismus. Gerade in England scheint die radikale Sichtweise von Richard Dawkins & Co. an Einfluss zu verlieren. Sie schreibt:

Im Jahr 2015 hatten einige Leute begonnen, den Tod des Neuen Atheismus zu verkünden, und im Jahr 2020, 15 Jahre nach der ComRes-Umfrage, zeigte eine neue Umfrage, dass nur 20 Prozent der Erwachsenen im Vereinigten Königreich der Meinung sind, dass der religiöse Glaube mit einer bösen und hartnäckigen Plage für die Gesellschaft verglichen werden kann.

Nick Spencer, Senior Fellow bei Theos, einem christlichen Thinktank in Großbritannien, und einer der Mitverfasser des neuen Berichts, sagte, die Ära des Neuen Atheismus habe in der Öffentlichkeit ein noch nie dagewesenes Ausmaß an Feindseligkeit gegenüber der Religion hervorgebracht. In einem Theos-Bericht über Wissenschaft und Religion aus dem Jahr 2022 kam er jedoch zu dem Schluss, dass „die wütende Feindseligkeit gegenüber der Religion, die von der ‚New Atheist‘-Bewegung hervorgerufen wurde, vorbei ist“ und die britische Öffentlichkeit eine ausgewogenere Sichtweise auf die Religion zum Ausdruck bringt als während des Höhepunkts des Einflusses der New Atheists. 

Mehr: www.christianitytoday.com.

Das Abendmahl als Gnadenmittel

Recht hat James Renihan, wenn er im Vorwort zum Buch The Lord’s Supper as a Means of Grace: More Than a Memory (Christian Focus Publications, 2014, S. 15–16) schreibt: 

Es ist eine merkwürdige Tatsache, dass die schwierigste Frage, über die zur Zeit der Reformation debattiert wurde, nicht die Rechtfertigung allein durch den Glauben oder gar der Platz des Papsttums in der Kirche war. Es ging vielmehr um die Theologie und Praxis des Abendmahls. Leben gingen verloren, viel Blut wurde vergossen und potenzielle Bündnisse scheiterten an Differenzen über die eucharistische Observanz. Romanisten, Lutheraner, Schweizer und englische Reformatoren diskutierten die Frage ausgiebig. Sie waren sich zwar nicht immer einig, aber allein die Tatsache, dass diese Frage für die Theologen der Reformationszeit von zentraler Bedeutung war, sollte uns veranlassen, über ihre Bedeutung nachzudenken. Daraus sollten wir zumindest eines lernen: Das Abendmahl war in den Augen dieser Theologen und Pastoren keine Kleinigkeit, und aus diesem Grund (neben vielen anderen) sollte es für ihre Erben ebenso wichtig sein.

Kann man das von der Kirche des einundzwanzigsten Jahrhunderts behaupten? Wohl kaum. Während die Praxis der Taufe die Christen immer noch in zwei Lager spaltet, erregen Theologie und Praxis des Tisches des Herrn nur selten Aufsehen. Sie ist durch eine Vielzahl von Einflüssen in den Hintergrund gedrängt worden. Das Abendmahl als Gnadenmittel Nur wenige denken über seinen Zweck im göttlichen Plan, seine Nützlichkeit in der Kirche oder seinen Platz im Leben des Gläubigen nach. Man fragt sich, warum die Kirchen das Abendmahl feiern. Für einige ist es nicht mehr als eine Tradition – etwas, das von Generation zu Generation als ein verehrter religiöser Brauch weitergegeben wird. Andere erkennen die offensichtliche Bedeutung des Abendmahls an, halten es aber nur zu besonderen Anlässen und in der Regel in größeren Abständen ab, wenn es ihnen notwendig erscheint. In manchen Fällen wird er ignoriert oder als antiquierter Ritus abgelehnt. Ich habe einmal eine große Kirche besucht, in der die Elemente auf drei oder vier im Saal verstreuten Tischen standen, mit einem Hinweis im Mitteilungsblatt, dass jeder, der das Bedürfnis verspürt, das Abendmahl zu feiern, sich selbst bedienen kann! Leider kann man die meisten Kirchen und Christen heute mit Fug und Recht als gleichgültig gegenüber dem Abendmahl bezeichnen.

Wer hat Recht? Auch wenn wir nicht in die Zeit der Debatten und Spaltungen zurückkehren wollen, müssen wir doch sagen, dass unsere Reformationsväter den Stellenwert und die Bedeutung dieses Abendmahls weitaus besser verstanden haben als die meisten Geistlichen und Gläubigen heute. Sie erkannten, dass es sich um eine göttlich eingesetzte Praxis handelte, die der Kirche zu großem Nutzen gegeben wurde. Als solche verdiente sie eine sorgfältige, genaue Prüfung und Definition. Aus diesem Grund müssen auch wir sowohl über die Theologie als auch über die Praxis des Abendmahls gründlich nachdenken.

Christopher Ash: Die Psalmen

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Im Verlag Verbum Medien ist in der Reihe „Die Bibel erklärt“ gerade eine kleine Auslegung zu den Psalmen von Christopher Ash mit einem ergänzenden Arbeitsheft erschienen. Christopher Ash zeigt, wie wir das Buch der Psalmen lesen und anwenden können. Nicht jeder Psalm wird erörtert. Er nimmt den Leser mit auf die Reise durch sechzehn Psalmen-Paare, die jeweils unterschiedliche Arten von Psalmen repräsentieren. Dazu gehören einige sehr bekannte und solche, die häufig übergangen werden. Wichtig ist ihm, zu zeigen, wie viele in den Psalmen formulierten Ankündigungen in Jesus Christus ihre letztgültige Erfüllung gefunden haben. 

Im zusätzlichen Arbeitsheft führt der Autor in sieben Bibelarbeiten durch Beispiele aus allen fünf Büchern des Psalters. Er zeigt, wie sie durch Jesus erfüllt wurden. Dadurch verändert sich unser Zugang, wie wir sie lesen, uns an ihnen erfreuen und sie singen. Das Arbeitsheft bietet eine gründliche Betrachtung des Textes, einen Fokus auf die praktische Anwendung im Alltag und Fragen, die wirklich ins Gespräch führen.

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Der „Die Bibel erklärt“-Kommentar zu den Psalmen kann hier derzeit zum Einführungspreis bestellt werden: verbum-medien.de.

Genderzwang

Ein Argument der Befürworter „geschlechtergerechter Sprache“ lautet, niemand müsse gendern. Die Realität sieht für Mitarbeiter von Universitäten, Unternehmen und Organisationen inzwischen völlig anders aus. Für sie wird Genderzwang angeordnet. Der Wissenschaftsjournalist Tim Schröder hat seine Erfahrungen in einem Artikel niedergeschrieben. Darin heißt es: 

Wenn ich mich mit Menschen unterhalte, die vom Gendern überzeugt sind, dann höre ich oft, dass man tolerant sein müsse. Jeder habe die Freiheit zu gendern oder eben nicht. Für das Private mag das noch gelten. Im Arbeitsalltag sieht es anders aus, denn wie das Beispiel oben zeigt, ist das Gendern für Mitarbeiter vielerorts zur Pflicht geworden.

Als Wissenschaftsjournalist schreibe und arbeite ich für etwa 40 verschiedene Auftraggeber, nicht nur Zeitungen und Magazine, sondern auch Behörden, Firmen, Forschungsinstitute und Universitäten. Fast überall gibt es inzwischen verbindliche Vorgaben oder Genderleitfäden, in denen vorgeschrieben wird, wie man zu gendern hat, ohne dass die Mitarbeiter jemals gefragt worden wären. Einige Auftraggeber verlangen Doppelpunkt oder Genderstern, andere bevorzugen Partizipialkonstruktionen wie „Dozierende“ und „Forschende“ oder Beidnennungen wie „Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler“. Das klassische „generische Maskulinum“ wie zum Beispiel „Experten“ oder „Bürger“, das eigentlich alle Menschen einschließt, ist im Sinne „der Geschlechtergerechtigkeit“ fortan verpönt.

Mit der Toleranz ist es ganz schnell vorbei, wenn ich darauf bestehe, das generische Maskulinum aus Gründen der Sprachlogik und des Sprachgefühls wie gewohnt weiterzuverwenden. Im schlimmsten Fall verliere ich meinen Auftraggeber. Meist aber läuft es auf ein zähes Ringen um die Frage hinaus, was „geschlechtergerecht“ ist und was nicht. Das Ergebnis sind meist Kompromisslösungen, die weder konsistent noch sinnvoll sind.

Mehr (hinter einer Bezahlschranke): www.welt.de.

Drei empfehlenswerte Veranstaltungen

Bald ist in den letzten Bundesländern die Ferienzeit vorüber und der Alltag zieht wieder ein. Das bedeutet auch, dass die Zeit der Konferenzen beginnt. Auf drei Veranstaltungen möchte ich hier hinweisen: 

Das Netzwerk Bibel und Bekenntnis veranstaltet am 23. September 2023 einen Studientag auf dem Schönblick in Schwäbisch Gmünd. Zu den Referenten gehören Ulrich Parzany, David Bennett, Waldemar Justus und Rolf Hille. Mehr Informationen gibt es hier: www.bibelundbekenntnis.de.

Ebenfalls am 23. September 2023 läuft in der Hoffnungskirche Kaiserslautern die Regionalkonferenz Südwest. Das Thema dieser Konferenz ist „Ruhe finden. Von innerer Rastlosigkeit zu geistlich gesundem Leben“. Hauptredner sind Matthias Lohmann und Peter Krell. Ich werde auch einen Vortrag zu Augustinus halten. Mehr Infos hier: www.evangelium21.net.

Vom 29.–30. September 2023 findet die erste Regionalkonferenz Österreich in der Calvary Chapel in Salzburg statt. Das Thema der Konferenz ist „Gott regiert! Die Entfaltung und Erfüllung von Gottes großem Plan“. Hauptredner sind Vaughan Roberts, Kai Soltau und Alex Reindl. Weitere Informationen gibt es hier: www.evangelium21.net.

Päivi Räsänen vor Gericht

Nachdem die frühere finnische Innenministerin Päivi Räsänen am 30. März 2022 freigesprochen wurde, muss sie sich derzeit erneut verteidigen, da die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt hatte. Gegenstand des Rechtsstreits ist ein Tweet mit Versen aus dem neutestamentlichen Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Rom (Röm 1, 24-27), in dem es um gleichgeschlechtliche Sexualität geht (vgl. hier).

Die Menschenrechtsorganisation ADF berichtet dankenswerterweise über den Prozess und schreibt über die Argumentation der Staatsanwaltschaft: 

Der Verhandlungstag begann mit den Argumenten der Staatsanwaltschaft. Zu dem Büchlein mit dem Titel „Als Mann und Frau schuf Er sie“, das Räsänen vor fast 20 Jahren über christliche Anthropologie und Homosexualität veröffentlicht hat, sagte die Staatsanwaltschaft: „Der Punkt ist nicht, ob es wahr ist oder nicht, sondern, dass es beleidigend ist.“ Die Staatsanwältin stellte auch fest, dass „nicht die Autoren der Bibel angeklagt“ werden, aber die Verwendung des Wortes „Sünde […] herabsetzend“ sei und „sexuelle Rechte“ verletze.

Die Staatsanwaltschaft argumentierte weiterhin: „Wir können Meinungsfreiheit begrenzen wenn es um die Ausdrucksform von Religion geht.“ Zum Bibel-Tweet brachte die Staatsanwaltschaft ihre Argumentation auf den Punkt: „Sie können die Bibel zitieren, aber Räsänens Interpretation und Meinung zu dem Bibelvers ist kriminell.“

Im vergangenen Jahr legte die Staatsanwaltschaft Berufung gegen das einstimmige Urteil des Bezirksgerichts Helsinki vom März 2022 ein, in dem Räsänen und Bischof Pohjola vom Vorwurf der „Hassrede“ freigesprochen wurden. Das Bezirksgericht entschied, dass es nicht die Aufgabe des Gerichts sei, „biblische Begriffe zu interpretieren“. Die Staatsanwaltschaft argumentiert jedoch, das Gericht habe Räsänens Tweet „falsch interpretiert“ und sei zu einem falschen Schluss gekommen. 

Also: „Der Punkt ist nicht, ob es wahr ist oder nicht, sondern, dass es beleidigend ist.“ Ganz offen wird eingestanden, dass es nicht darum geht, die Wahrheit herauszufinden. Die Bibelauslegung von Räsänen, die durch 2000 Jahre Kirchengeschichte über alle Konfessionen hinweg gedeckt ist, wird von der Staatsanwaltschaft als „kriminell“ bezeichnet. Das „Beleidigtsein“ einer bestimmten Gruppe von Menschen wiegt schwerer als die semantische Wahrheit und die gut bezeugte Geschichte. Das Gefühl einer Opfergruppe soll über Recht und Unrecht entscheiden.  

Derzeit wird auf die Urteilsverkündigung gewartet. Wir sind gespannt und zuversichtlich. Würde das Gericht der Staatsanwaltschaft zustimmen, wäre dies ein schwarzer Tag für die Meinungsfreiheit und Religionsfreiheit. 

Mehr: adfinternational.org.

Generation Woke: Queere Bibel

Die Aktivisten der Woke-Kultur sind besonders „wach“, was die Inhalte und Botschaften von Vorträgen, Büchern oder Filmen anbetrifft. Frühere moralische Bewegungen wandten sich gegen Verletzungen von Bürger- oder Frauenrechten und alles, was den Weltfrieden gefährdet. Sie haben sich mit der Politik und Gesetzen befasst. Die Woken sind basisorientiert. Susanne Keuchel schreibt in Politik & Kultur über ihre Anliegen (S. 15):

Die Kritik der Woke-Aktivisten vollzieht sich dagegen „bottom-up“. Kritisiert wird „unkorrektes“ Verhalten innerhalb des sozialen Umfelds, aber auch bezogen auf Buch- oder Filminhalte. Ihr Anspruch besteht darin, Gesellschaft von innen heraus zu verändern. Das Bereinigen von überlieferter Literatur gehört zu den Aufgaben der Generation „Woke“. Romane und Erzählungen werden daraufhin abgeklopft, ob sie dem Mainstream der Gegenwart entsprechen. Falls nicht, werden sie verbannt, geschönt oder zumindest durch erklärende Anmerkungen ergänzt. 

So ist es alles andere als überraschend, dass postmoderne Bibelausgaben darum bemüht sind, Textstellen zu ergänzen, die feministischen oder queeren Lesarten im Weg stehen. Mentari Baumann und Meinrad Furrer arbeiten an so einem Update für die Heilige Schrift. Die Bibel soll der queeren Community zugänglich gemacht werden. Um das Ziel zu erreichen, werden vermeintlich queerfreundliche Bibelstellen hervorgehoben und queerfeindliche Texte um neu geschaffene Textschichten erweitert. Ausgangspunkt ist die Zürcher Bibelübersetzung.

Der SRF berichtet: 

„Jetzt schreibe ich Paulus einen Brief und erkläre ihm, was ich an seinen Gedanken spannend finde und was aus heutiger Sicht problematisch ist. Ich erzähle ihm, was sein Text für eine Wirkungsgeschichte hatte und wie wir das heute lesen“, sagt Furrer. Dieser literarische Antwortbrief liegt dann auf einem gesonderten Blatt der entsprechenden Stelle in der Zürcher Bibel bei. Meinrad Furrer will zudem vermeintlich queerfreundliche Stellen hervorheben, etwa in der Josefsgeschichte. Dort heisst es, dass Josef von seinem Vater ein Gewand erhält, das an anderen Stellen als Prinzessinnenkleid bezeichnet wird. Furrer macht daraus eine Geschichte über einen begabten, hypersensiblen jungen Mann und wie er damit in seiner Familie umgeht. Er stellt die Frage, was eine queere Identität damit zu tun haben könnte. Es sind Erweiterungen wie diese, die in der Luzerner Bibel enthalten sind.

Und dann gibt es einige Textstellen in der Bibel, die gar keine Sexualität enthalten, die man aber queer denken könnte. So gibt es Passagen, die aussagen: So wie ich gemacht bin, bin ich gut. „Es gibt viele solcher inspirierenden Stellen, und wir heben diese hervor“, betont Meinrad Furrer.

Die Frage, ob es sinnvoll ist, die Heilige Schrift an den Zeitgeist anzupassen, wird von den Aktivisten wie folgt beantwortet: „Die biblischen Bücher sind in einem sehr langen Prozess von Neudeutungen entstanden. Das kann die Forschung belegen“, erklärt Furrer: „Es ist vollkommen natürlich, die Bibel weiterzuschreiben und neues Wissen in die alten Texte miteinfliessen zu lassen.“

Das ist natürlich Quatsch. Ich vermute alleredings, im nächsten Schritt wird ergänzend zur geschlechtergerechten Bibel direkt in die Texte eingegriffen und eine „Queere Bibel“ herausgegeben. Wohl dem, der dann noch nach der zutreffenden Übersetzung fragt und vergleichen oder übersetzen kann. Dass die queeren Deutungen mit einer gründlichen Exegese der Bibel nichts zu tun haben, zeige ich übrigens in dem Artikel „Hermeneutisches Cruising“

Mehr: www.srf.ch.

VD: AS

Identität muss sich entwickeln

Renommierte Psychotherapeuten warnen vor den Folgen des geplanten Selbstbestimmungsgesetzes für Kinder und Jugendliche. Im Magazin Cicero haben Alexander Korte und Volker Tschuschke Stellung bezogen und schreiben zum Thema „Selbst im falschen Körper“:

Immer wieder ist davon die Rede, die „Geschlechtsangleichung“ sei erforderlich und unhinterfragt zu ermöglichen, wenn man sich im falschen Körper befinde. Könnte es aber nicht vielleicht so sein, dass es sich um eine „falsche Psyche“ – um ein „falsches Leben“, ein „falsches Selbst“ – in einem „richtigen Körper“ handelt? Jedwede Prämisse, die a priori von einer naturalistisch oder essentialistisch gefassten Identitätsentwicklung ausgeht respektive diese zum Inhalt hat, basiert auf fundamentalen Missverständnissen über psychische Entwicklungsprozesse.

Sämtlichen neurobiologischen Erklärungsmodellen zur Transsexualität ist gemeinsam, dass sie davon ausgehen, diese werde durch ein gegengeschlechtlich funktionierendes oder strukturiertes Gehirn verursacht. Fakt ist jedoch: Die neurowissenschaftlich-genetische Forschung hat bislang keine wirklich überzeugenden Nachweise erbringen können, dass „Geschlechtsidentität“ biologisch bedingt (determiniert) und eine persistierenden Trans-Identifizierung auf eine vorrangig oder gar ausschließlich genetisch beziehungsweise hormonell bedingte Ätiologie [Lehre von den Ursachen der Krankheiten] zurückzuführen ist.

Aus Sicht der Entwicklungspsychologie ist es komplett abwegig, davon auszugehen, dass Identität etwas sei, mit dem man zur Welt kommt. Schon die ersten ausführlicheren Monographien zum Konstrukt „Geschlechtsidentität“ (engl. gender identity) betonten deren bio-psychosoziale Grundlage. Im Zuge der psychosexuellen Entwicklung konstituiert sich ab dem Kleinkindalter ein Zugehörigkeitsgefühl zu einem Geschlecht, das sich im weiteren Verlauf, insbesondere in der Adoleszenz im Zusammenhang mit der Entwicklung der eigenen Sexualität und den ersten soziosexuellen Kontakten konsolidiert und individuell ausgestaltet.

Auch Ponseti und Stirn heben hervor, dass „Geschlechtsidentität“ stets das Ergebnis einer individuellen Bindungs-, Beziehungs- und Körpergeschichte ist. Identitätskonstruktion ist also ein (lebenslang anhaltender) Prozess, so dass geschlechtsbezogenes Identitätserleben ein (sic!) Teil der Persönlichkeit ist und wie „Geschlechtsidentität“ – wie Identität überhaupt – erst mühselig entwickelt werden muss.

Mehr: www.cicero.de.

VD: ÍS

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