Abtreibung

Der große Fehler des Friedrich Merz

Ich wollte es nicht glauben. Aber es stimmt. In der heutigen Bundestagsdebatte antwortete Bundeskanzler Merz auf die Frage der AfD-Abgeordneten Beatrix von Storch, ob er es mit seinem Gewissen vereinbaren könne, eine Kandidatin zu wählen, „für die die Würde eines Menschen nicht gilt, wenn er nicht geboren ist“, mit: „Auf Ihre hier gestellte Frage ist meine ganz einfache Antwort: Ja!“

Somit unterscheiden wir also wieder zwischen lebenswerten und lebensunwerten Menschen. Gute Nacht! 

Christen dürfen so eine Entwicklung nicht schweigend hinnehmen. Gut, dass Dennis Pfeifer von der IDEA-Redaktion schnell reagiert hat:

Wer in einer christlich geprägten Partei Verantwortung trägt, kann die Frage nach dem Schutz des ungeborenen Lebens nicht derart abbügeln. Gerade CDU/CSU haben sich in ihrem Grundsatzprogramm immer wieder klar auf das christliche Menschenbild berufen. Es gehört zum Markenkern der Partei.

Dieses Menschenbild kennt in dieser Frage keine eingeschränkten Maßstäbe: Es nimmt die Würde des Menschen ernst – von der Zeugung bis zum natürlichen Tod. Dieses Fundament der Christdemokratie kann und darf nicht beliebig werden, nur weil die politische Lage unbequem ist.

Der Kanzler hätte den moralischen Konflikt benennen müssen. Merz hätte deutlich machen können, dass mit ihm an der Spitze die Union nicht an Paragraf 218 rüttelt. Er hätte sagen können, dass für ihn die Menschenwürde auch für ungeborene Kinder als Ebenbilder Gottes schon im Mutterleib gilt.

Man muss in einer Demokratie auch in einer Regierungskoalition über schwierige ethische Fragen streiten können. Merz‘ schnelles Ja ohne jede Erklärung wirkt dagegen wie ein Offenbarungseid: Das Gewissen wird dem Machterhalt geopfert.

Mehr: www.idea.de.

Wofür steht Frauke Brosius-Gersdorf beim Lebensrecht?

Obwohl sich mehrere CDU/CSU-Bundestagsabgeordnete und Landesminister der Union kritisch zur Nomininierung von Frauke Brosius-Gersdorf für das Verfassungsgericht geäußert haben, ist sie gestern vom Wahlausschuss des Bundestags für das Amt vorgeschlagen worden. Laut Jens Spahn eine Kompromisslösung: Die Sozialdemokraten sicherten angeblich zu, dass Brosius-Gersdorf nicht Vizepräsidentin des Verfassungsgerichts werden solle.

Dieser gesamte Vorgang ist beachtlich, da bekannt ist, dass die Rechtsprofessorin nicht allen Menschen die Menschenwürde zugestehen möchte. Heißt es doch im Grundgesetz Arikel 1: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“

Stephan Klenner berichtet für die FAZ: 

Frauke Brosius-Gersdorf arbeitete in der Regierungskommission der Ampelkoalition zu einer möglichen Reform des Schwangerschaftsabbruchs mit. Im von ihr verantworteten Kapitel des Kommissionsberichts ist zu lesen, für die Geltung der Menschenwürde „erst für den Menschen ab Geburt“ sprächen „gute Gründe“. In einem Festschriftbeitrag zu Ehren ihres Doktorvaters, des Rechtsphilosophen Horst Dreier, schrieb Brosius-Gersdorf im vergangenen Jahr, „die Annahme, dass die Menschenwürde überall gelte, wo menschliches Leben existiert“, sei „ein biologistisch-naturalistischer Fehlschluss“.

Diese Auffassung steht im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Die Karlsruher Richter schrieben in ihrem Abtreibungsurteil im Jahr 1993, die Menschenwürde komme „schon dem ungeborenen menschlichen Leben zu“. Für Brosius-Gersdorf sind Menschenwürde und Lebensschutz hingegen „rechtlich entkoppelt“. Die Potsdamer Staatsrechtsprofessorin stützt ihre Haltung auf die Kommentierung Horst Dreiers zum Menschenwürde-Artikel im Grundgesetz. Dreier wurde im Jahr 2008 von der SPD als Bundesverfassungsrichter nominiert. Seine Wahl scheiterte an der Union, die sich an seinen Formulierungen zur Menschenwürde störte. Brosius-Gersdorf schreibt hingegen, Dreier habe beim Thema Menschenwürde „Meilensteine in der rechtswissenschaftlichen Diskussion gesetzt“.

Die Ansichten von Brosius-Gersdorf zur Menschenwürde werden auch von etlichen Juristen, die ein liberaleres Abtreibungsrecht befürworten, nicht geteilt. Dies gilt auch für Teile der SPD. Die frühere Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt hat vor der Sitzung des für die Verfassungsrichterwahl zuständigen Bundestagsausschusses am Montag hervorgehoben, dass für sie die Menschenwürde bereits vor der Geburt gilt. „Für mich als Sozialdemokratin und Bundesvorsitzende der Lebenshilfe ist es wichtig, dass wir niemals zwischen lebenswertem und nicht lebenswertem Leben unterscheiden. Jedes Leben ist lebenswert – und hat Menschenwürde auch schon im Mutterleib“, sagte Schmidt der F.A.Z.

Die frühere Bundesgesundheitsministerin ist seit 2012 Bundesvorsitzende der Bundesvereinigung Lebenshilfe, die sich für Menschen mit geistiger Behinderung einsetzt. Schmidt sagte der F.A.Z., „dass die Menschenwürde bereits im Mutterleib gilt“, sei auch für den „gesellschaftlichen Umgang mit Menschen mit Behinderungen wichtig“.

Mehr: www.faz.net.

Großbritannien: Abtreibung bis zur Geburt!

Gestern habe ich auf die Debatte um Schwangerschaftsabbrüche in Großbritannien hingewiesen. Gerade eben lese ich bei FAZ online, dass sich offentsichtlich die progressiven Labour-Abgeordneten durchgesetzt haben und demnächst Frauen erlaubt wird, Kinder bis hin zur Geburt abzutreiben. So jedenfalls verstehe ich die Meldung:

In England sollen Frauen, die eine Schwangerschaft beenden, in jedem Falle straflos bleiben, unabhängig von der Frist, in der dies geschieht. Diese Gesetzesänderung geht auf die Initiative einiger Labour-Abgeordneter zurück, die damit argumentierten, dass es in den vergangenen Jahren eine Häufung von Fällen gegeben habe, in denen Frauen bei einem späten Schwangerschaftsabbruch angeklagt und sogar zu Gefängnisstrafen verurteilt worden seien.

In einer Abstimmung ohne Fraktionszwang befürworteten 379 Abgeordnete die Gesetzesänderung, 137 stimmten dagegen.

KATHPRESS erklärt zudem:

Unterstützt wurde der Antrag laut BBC von allen großen Abtreibungsanbietern und 50 Organisationen, etwa der Fachgesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe Royal College of Obstetricians and Gynaecologists (RCOG). Deren Präsidentin, Ranee Thakar, begrüßte die Entscheidung des Parlaments. Die Entscheidung spiegle die Einstellung der Gesellschaft wider, die mit großer Mehrheit das Recht der Frauen unterstütze, vertraulich und ohne Angst vor Verfolgung Zugang zu Abtreibungsverfolgung zu erhalten.

Ich bin entsetzt, wirklich entsetzt. Und zugleich wird mir mal wieder deutlich, was für eine Schutzfunktion die biblische Lehre von der Gottebenbildlichkeit des Menschen hat. Sie begründet die unverlierbare Würde und den Wert jedes Menschen, unabhängig von Leistung, Geschlecht oder Status. Leider wird genau diese Schutzfunktion durch Gottlosigkeit des sich absolut setzenden Menschen überschrieben. HERR, erbarme dich! 

Großbritannien: Abtreibung bis zur Geburt?

Im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens für den von der britischen Regierung vorgelegten „Crime and Policing Bill“ berät das Unterhaus am Dienstag und Mittwoch auch über zwei Änderungsanträge, die vorgeburtliche Kindstötungen bis zur Geburt legalisieren würden. Die Labour-Abgeordnete Tonia Antoniazzi möchte in einer Gesetzesvorlage Schwangerschaftsabbrüche legalisieren. Die Labour-Abgeordneten Stella Creasy möchte mit einem Änderungsantrag („New Clause 20“) Abtreibungen sogar bis zur Geburt legalisieren.

DIE TAGESPOST meldet: 

Laut Alithea Williams von der britischen „Society for the Protection of unborn children“ (SPUC) würde „die Abschaffung der Straftatbestände für Frauen jegliche rechtlichen Einschränkungen für Frauen in Bezug auf Abtreibung beseitigen. Eine Frau könnte aus jedem beliebigen Grund abtreiben, auch aufgrund des Geschlechts des Babys.“ „Selbst eine Frau, die ihr Baby während der Geburt tötet“, würde mittels dieser Änderung „keine Straftat begehen.“

Der andere Änderungsantrag, vor dem Bischöfe und Lebensrechtler warnen, geht auf das Konto der Labour-Abgeordneten Stella Creasy. Die 48-Jährige will mit einem ganze 13 Punkte umfassenden Änderungsantrag („New Clause 20“) Abtreibungen ebenfalls bis zur Geburt legalisieren. „New Clause 20 würde Abtreibungen bis zur Geburt und während der Geburt vollständig entkriminalisieren. Frauen wären kaum vor erzwungenen Abtreibungen durch Familien und Dritte geschützt. Abtreibungen wären auf Verlangen und bis zur Geburt möglich“, kritisieren die Bischöfe und halten dafür: „In der Bevölkerung findet dieses extreme Gesetz, das den bestehenden Rahmen völlig auf den Kopf stellt und die Menschlichkeit des ungeborenen Kindes völlig missachtet, wenig Unterstützung. Die Beibehaltung der Abtreibung im Strafrecht bietet Frauen und ungeborenen Kindern ein gewisses Maß an Schutz.“

Mehr: www.die-tagespost.de.

Bethel McGrew: Die Hybris der protestantischen Eliten

Die Mathematikerin Bethel McGrew hat in dem Beitrag „N.T. Wright and The Inner Ring“ das Interview mit Wright zur Abtreibungsfrage kommentiert (vgl. hier). Dabei hat sie darauf hingewiesen, dass die dort prästenierte Position eigentlich nicht überraschen sollte: 

Diese Äußerungen haben unter den ernsthaften jüngeren Protestanten, die akademisch und spirituell zu Wright aufgeschaut haben, Wellen des Schocks und tiefer Desillusionierung ausgelöst. Ich kann keine älteren Kommentare von ihm finden, die explizit so schrecklich sind. Allerdings gab es schon Anzeichen dafür.

Eine besonders große rote Flagge wurde im letzten Herbst in einem Wahlkampf-Interview über Politik und das Evangelium gehisst. Wrights Interviewer bat ihn, die Zuhörer darüber aufzuklären, warum bestimmte Christen so sehr in „kulturelle Kriege“ verwickelt seien. Ernsthaft, warum sind sie das? Nun, Wright erklärte, das sei ein riesiges Thema, eigentlich „ein ganzes Seminar für sich“, aber kurz gesagt liege es daran, dass ihnen niemand beigebracht habe, wie man politische Theologie betreibt, so Wright. Diese armen, stümperhaften evangelikalen Seelen vermischten auf plumpe Weise eine verworrene politische Theologie mit einer verworrenen Theologie des Eschatons. Sie seien so himmlisch gesinnt, dächten ständig an die Entrückung und so weiter, dass sie nicht wüssten, wie sie auf der Erde etwas bewirken können, es sei denn, etwas löse eine ihrer reflexartigen Unsicherheiten aus – zum Beispiel in Bezug auf Sex. So sei übrigens auch die Pro-Life-Bewegung entstanden. In Wirklichkeit sei es ein „Machtspiel“ von Männern gewesen, die sich darüber aufregten, dass Frauen viel Sex haben, aber sie versuchten abzulenken, indem sie behaupteten, es ginge darum, dass sie nicht wollten, dass Babys getötet werden. So seien sie zu „glühenden“ Abtreibungsgegnern geworden, was heuchlerisch sei, weil sie auch „glühende“ Waffenbefürworter waren. Und so sei jetzt alles schrecklich „vereinfacht“ und „polarisiert“, und niemand verstehe, wie man „vernünftig darüber reden kann“.

Wenn sie doch nur Wrights neuestes Buch kaufen würden.

Tatsächlich hat ein Online-Freund von mir dieses Buch gekauft, das er zusammen mit dem bereits erwähnten Michael Bird geschrieben hat, der sich ebenfalls regelmäßig über die rechten amerikanischen Christen lustig macht. Als dieser neue virale Clip von Wright die Runde machte, schickte mir mein Freund eine Leseprobe und dachte darüber nach, wie inhaltsleer das Buch eigentlich war – alles nur Floskeln und vages Geschwafel über „Nuancen“, keine wirkliche Anleitung zu echten Fragen.

Wenn Wright jedoch seine donnernde politische Stimme doch mal gefunden hat, hat er sich zuverlässig nicht für die Themen eingesetzt, bei denen die christliche Position am offensichtlichsten ist. Gehen Sie weiter zurück zu diesem Interview mit einer katholischen Zeitung aus dem Jahr 2004, und Sie werden feststellen, dass er tatsächlich wütend wird, als der Reporter vorschlägt, dass Abtreibung die entscheidende moralische Frage unserer Zeit ist. Wright lehnt diesen Vorschlag ab und behauptet, dass unser wichtigstes moralisches Problem die globale Verschuldung sei, die wir mit ein paar geschickten Tricks lösen könnten, wenn nur alle gierigen Reichen mitmachen würden. Warum diskutieren wir überhaupt über Abtreibung, fragt er, wenn es Kinder gibt, „deren wirtschaftliche Umstände so sind, dass es fast besser wäre, wenn sie nicht geboren worden wären“?

Mehr: www.furtherup.net.

N.T. Wright: Ist ein Schwangerschaftsabbruch jemals gerechtfertigt?

Mike Bird hat N.T. Wright in dieser Folge von „Aks NT Wright anything“ eine Frage aus Deutschland vorgelegt:

Als Christin wurde ich darauf hingewiesen, dass Abtreibung unabhängig vom Stadium der Schwangerschaft eine Sünde ist, weil sie gegen das fünfte Gebot verstößt: Du sollst nicht morden.

Die Antwort von N.T. Wright dürfte einige überraschen, oder – so war es bei mir – erschüttern. Was Wright über Luzifer und seine finsteren Mächte sagt, dürfte Lesern seiner Bücher hingegen bekannt sein. Wright deutet Satan und seine Diener nicht als personale Wesen, sondern als Mächte, die manchmal personalisiert erscheinen. 

Hier: 

 

„Pille danach“ – Apotheker gibt Approbation zurück

Ein Berliner Apotheker hat die Apothekerkammer gebeten, seine 1984 erteilte Approbation als Apotheker zurückzunehmen, weil er sich gezwungen sieht, seinen Beruf nach einem Gerichtsurteil des Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg aus Gewissengründen aufzugeben. 

DIE TAGESPOST schreibt: 

Das Gericht befand, die „Pille danach“ sei ein zugelassenes Arzneimittel, für das Pharmazeuten kein „Prüfrecht“ besäßen. Die individuelle Gewissensfreiheit sei dem Versorgungsauftrag untergeordnet. Ein Apotheker, der die Abgabe bestimmter Präparate nicht mit seinem Gewissen vereinbaren könne, müsse seinen Beruf aufgeben.

Kersten hatte seine Apotheke bereits 2018 geschlossen, war aber weiterhin Mitglied der Apothekerkammer. „Es ist bedauernswert, dass Apothekern das Recht auf Gewissensfreiheit abgesprochen wird, wenn sie eine lebensachtende Haltung einnehmen. Die sogenannte ‚Pille danach‘ zu verkaufen, kann ich mit meinem Gewissen nicht vereinbaren, weil sie möglicherweise ein Menschenleben beenden könnte. Daher sehe ich mich gezwungen meine Approbation als Apotheker aufzugeben“, so Kersen.

Zum Hintergrund: Die rezeptfrei erhältliche „Pille danach“ wird als sogenanntes „Notfallverhütungsmittel“ eingestuft, dessen Hauptwirkung den Eisprung verhindert. Bei bereits erfolgtem Eisprung entfaltet es jedoch eine frühabtreibende Wirkung und hindert die befruchtete Eizelle daran, sich erfolgreich in die Gebärmutter einzunisten.

Mehr: www.die-tagespost.de.

Mehr aus ein Zellhaufen

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Mit dem Abschlussbericht der von der Bundesregierung eingesetzten Kommission „Reproduktive Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin“ ist die Debatte um das Thema Abtreibung wieder hochaktuell und medial präsent. Das Buch Mehr aus ein Zellhaufen von Sabina M.M. Scherer ist daher zur rechten Zeit erschienen. Es bietet dem Leser eine strukturierte Übersicht über populäre Positionen und Argumente in dieser oft hochemotionalen Auseinandersetzung. Die Autorin spannt einen weiten Bogen und behandelt ein breites Spektrum an Themen, die in dieser Debatte eine Rolle spielen.

Johannes Gonser hat das Buch gelesen und rezensiert: 

Das Buch von Sabina Scherer ist ein konsequent praxisorientierter Beitrag zur Debatte um den Schwangerschaftsabbruch und kann hier auf ganzer Linie überzeugen. Ihre Einwände gegen die ausgefeilten philosophischen Argumente für ein Recht auf Abtreibung sind meiner Einschätzung nach jedoch nicht immer folgerichtig und stehen teilweise auch in Spannung zur mutmaßlich eigenen Überzeugung. Vielleicht ist es beabsichtigt, aber an einigen Stellen hätte ich mir von der Autorin auch eine klarere eigene Positionierung gewünscht. Scherer lässt bspw. die Frage offen, ob zur Wahrung der Würde einer Frau nach einer Vergewaltigung eine Abtreibung als Option bestehen sollte. In Anbetracht der ansonsten im Buch vorgetragenen Argumentation dürfte dies jedoch kaum zu rechtfertigen sein.

In den meisten Gesprächen werden die von mir geäußerten Bedenken jedoch vermutlich nicht zum Tragen kommen und daher kann ich diesem Werk nur eine weite Verbreitung wünschen. Außer dem Buch Genug geschwiegen! Schwierigen Abtreibungsfragen selbstsicher begegnen ist mir jedenfalls keine Publikation im deutschsprachigen Raum bekannt, welche vor allem junge Menschen in einer leicht verständlichen Sprache einen Leitfaden für einen wertschätzenden und konstruktiven Dialog in der Abtreibungsfrage an die Hand geben möchte. Wer sich daher in dieser Weise in den Diskurs einbringen möchte, findet hier sehr empfehlenswerte Hilfestellungen.

 

Karl Barth: Das Problem der absichtlichen Schwangerschaftsunterbrechung

Karl Barth schreibt in seiner Kirchlichen Dogmatik über die Abtreibung Karl Barth (KD, III, 1993, S. 473–474): 

Wir erwägen als erstes das Problem der absichtlichen Schwangerschaftsunterbrechung (abortus, Abtreibung der Leibesfrucht). Sie kommt da in Frage, wo eine Zeugung und Befruchtung stattgefunden hat, die Geburt und Existenz eines Kindes aber aus irgend einem Grunde als unerwünscht erscheint oder geradezu gefürchtet wird. Es kommen als Täter in Betracht: die Mutter, die den Akt selbst vollzieht oder doch wünscht oder doch zuläßt, allerlei ihr mehr oder weniger sachkundig beistehende Dilettanten, der wissenschaftlich und technisch geschulte Arzt endlich, als Mitverantwortliche eventuell der Vater, Angehörige oder andere Drittpersonen, die den Vollzug dieses Aktes erlauben, fordern, ermöglichen, begünstigen, in einem weiteren, aber nicht minder strengen Sinn auch die Gesellschaft, deren Verhältnisse und deren Geist direkt oder indirekt nach solchen Akten ruft, deren Gesetze sie vielleicht zulassen. Die angewendeten Mittel, unter denen es ganz primitive und relativ vollendete gibt, können bei unserer Fragestellung zunächst keine Rolle spielen. Wir haben auf alle Fälle festzustellen, daß es sich für diesen ganzen Täterkreis einwandfrei und im Vollsinn des Wortes um Tötung menschlichen Lebens handelt. Das ungeborene Kind ist nämlich vom ersten Stadium an ein Kind, ein noch keimender, noch unselbständig lebender Mensch, aber ein Mensch, kein Etwas, nicht nur ein Teil des Mutterleibes.

Der Embryo besitzt Eigengesetzlichkeit, ein eigenes Gehirn und Nervensystem, einen eigenen Kreislauf. Sein Leben wirkt auf das der Mutter ein, wie das ihrige auf das seine. Er kann seine eigenen Krankheiten haben, an denen die Mutter keinen Anteil hat. Er kann umgekehrt auch bei schwerer Krankheit der Mutter völlig gesund sein. Er kann sterben, während die Mutter weiterlebt. Er kann auch seinerseits nach dem Tode der Mutter eine Weile weiterleben und eventuell durch einen rechtzeitigen Eingriff in deren Leiche gerettet werden. Kurz: er ist ein menschliches Lebewesen für sich. …

Wir haben uns also aller weiteren Überlegung vorangehend einzuschärfen: wer keimendes Leben vernichtet, der tötet einen Menschen, der wagt also jenes wahrhaft Ungeheuerliche, über Leben und Tod fremden, mitmenschlichen Lebens zu verfügen, das Gott gegeben, das wie sein eigenes nicht ihm, sondern Gott gehört. Er will (und muß es verantworten, ob es so ist) im Auftrage Gottes handeln, indem er jedenfalls über die zeitliche Gestalt dieses mitmenschlichen Lebens mit seiner Tat das letzte Wort zu sprechen wagt. Wer immer hier direkt oder indirekt beteiligt ist, muß zweifellos das verantworten.

Wieder muß hier zuerst und vor allem das große Halt! des göttlichen Gebotes gehört werden. Ist das zu verantworten? Darf, muß das sein? Was auch gegen die Geburt und Existenz eines Kindes sprechen mag: was kann es dafür, daß es da ist? Was hat es an seiner Mutter oder an all den Anderen verschuldet, daß man ihm nun sein keimendes Leben nehmen, es mit dem Tode bestrafen will? Müßte nicht schon seine völlige Wehr- und Hilflosigkeit, müßte nicht auch die Frage: wen man da vielleicht tötet, wem man da eine Zukunft versagt, bevor er geatmet und das Licht der Welt erblickt hat, zuerst der Mutter und dann all den Anderen die Waffe aus der Hand ringen, den Willen zu ihrem Gebrauch durchkreuzen?

Australien: Stellungnahme zu Vorschlägen für eine Reform des Abtreibungsrechts

Die Anglikanische Diözese von Sydney (Australien) hat auf Vorschläge zur Reform des Abtreibungsrechts reagiert. Im Fall, dass der Gesetzesentwurf verabschiedet würde, die dies substantielle Auswirkungen für das Gesundheitssystem und die Gewissensfreiheit von Ärzten.

Ich zitiere:

Das Sozialkomitee der anglikanischen Diözese Sydney äußert gemeinsam mit dem Erzbischof von Sydney, Kanishka Raffel, ernste Bedenken über den Gesetzesentwurf 2025 zur Reform des Abtreibungsrechts (Zugang zur Gesundheitsversorgung), der von der grünen Abgeordneten Dr. Amanda Cohn eingebracht wurde. Wir haben an den Premierminister von NSW, den Oppositionsführer und den Vorsitzenden der Nationals geschrieben und sie aufgefordert, sich dem Gesetzentwurf zu widersetzen.

Dieser Gesetzentwurf befasst sich nicht mit der Rechtmäßigkeit der Abtreibung, die bereits in den bestehenden Gesetzen geregelt ist, sondern zielt darauf ab, die Abtreibungsdienste auf Kosten der Einschränkung der Gewissens- und Religionsfreiheit der Bürger von NSW zu erweitern.

Im Falle einer Verabschiedung würde Dr. Cohns Gesetzentwurf dem Gesundheitsminister die Möglichkeit geben, öffentliche Gesundheitseinrichtungen zur Bereitstellung von Abtreibungsdiensten anzuweisen. Außerdem würden Ärzte, die eine Abtreibung aus moralischen Gründen ablehnen, verpflichtet werden, ihre Patienten an andere Ärzte zu überweisen, die den Eingriff vornehmen.

Diese Änderungsanträge verletzen die Freiheiten der Gläubigen. Religiöse Gesundheitsorganisationen und Einzelpersonen müssen die Freiheit haben, nach ihren religiösen Überzeugungen zu handeln. Der Gesetzentwurf würde sie dazu zwingen, entweder direkt an Abtreibungsdiensten teilzunehmen oder Patienten an andere zu verweisen, was für viele ein moralisches Dilemma darstellt. Wenn das Gesetz in Kraft tritt, könnten christliche Gesundheitsfachkräfte und -organisationen gezwungen werden, gegen das Gesetz zu verstoßen, ihre Überzeugungen zu verletzen oder ihre Aufgaben aufzugeben.

Diese Entwicklung könnte auf uns in Deutschland auch noch zukommen. Ich befürchte, dass keine der großen Kirchen hierzulande so scharf reagieren würde, wie es notwendig wäre.

Hier der gesamte Brief: Statement_on_Abortion_Law_Mar_25.pdf.

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