Hermeneutik

Augustinus: Vom Wort Gottes und den eigenen Gedanken

Aurelius Augustinus (De doctrina Christiana, Buch 2,VII,8,17):

Daraufhin ist es nötig, in Frömmigkeit sanft zu werden und der Hl. Schrift nicht zu widersprechen, entweder weil wir verstanden haben, wenn sie irgendwelche Fehler von uns aufspießt, oder weil wir sie nicht verstanden haben, als ob wir besser denken und besser vorschreiben könnten, vielmehr ist eher zu bedenken und zu glauben, daß das, was dort geschrieben ist, auch wenn es verborgen sein sollte, besser und wahrhafter ist, als das, was wir durch uns selbst denken können.

Christus als Schlüssel zum Verständnis der Schrift

Augustinus beschreibt Christus als den hermeneutischen Schlüssel in seinem Traktat zum Johannesevangelium (zitiert aus: Michael Fiedrowicz, Handbuch der Patristik: Quellentexte zur Theologie der Kirchenväter,  Freiburg; Basel; Wien: Herder, 2010, S. 186–187, übrigens erhältlich in einer digitalen Ausgabe für die Logos Bibelsoftware):

Seht, was er sagt: dass in Christus erfüllt werden musste, was über ihn geschrieben steht (vgl. Lk 24, 25–27). Wo steht es geschrieben? „Im Gesetz“, sagt er, „in den Propheten und in den Psalmen“ (Lk 24, 27). Nichts von den alten Schriften ließ er aus. Das war Wasser; und deswegen wurden jene vom Herrn unverständig genannt, weil es ihnen noch als Wasser schmeckte, nicht als Wein. Wie aber machte er aus Wasser Wein? Indem er ihnen den Sinn erschloss und ihnen die Schriften auslegte, beginnend bei Mose durch alle Propheten hindurch. Daher sprachen sie, bereits trunken geworden: „Brannte nicht unser Herz auf dem Wege, da er uns die Schriften erschloss?“ (Lk 24,32). Denn sie verstanden Christus in diesen Büchern, in denen sie ihn nicht erkannt hatten. Es verwandelte also unser Herr Jesus Christus Wasser in Wein, und es schmeckt, was nicht schmeckte, es berauscht, was nicht berauschte.

 

Martin Bucer: Kein Bibelwort steht für sich allein

Johannes Müller schreibt über die Einheitlichkeit der Heiligen Schrift in Bucers Hermeneutik (Martin Bucers Hermeneutik, Quellen und Forschungen zur Reformationsgeschichte, 1965, S. 114–115):

Der Heiligen Schrift eignet infolge ihrer Inspiration eine untrügliche Zuverlässigkeit und zugleich eine unbedingte Eindeutigkeit, mit der sie Gottes Offenbarung vermittelt. Ja, mehr noch, die Inspiration durch den einen Heiligen Geist läßt zugleich auch auf die Einheitlichkeit und Widerspruchslosigkeit der biblischen Aussagen schließen. Gewiß war Bucer philologisch und historisch geschult genug, um bei seiner Exegese allenthalben auf stilistische Eigentümlichkeiten sowie auf historisch bedingte Eigenarten einzelner biblischer Bücher aufmerksam machen zu können; aber die innere Einheit stand ihm über der historischen Vielfalt nirgends im Zweifel. Keine biblische Schrift noch auch ein einzelnes Bibelwort steht für sich allein, sondern beiden wird Sinn und Grenze zuteil von der sie umfassenden Botschaft des Evangeliums, als dessen Bestandteil sie auf gef aßt werden wollen. Für dieses Denken vom Ganzen her mag es bezeichnend sein, daß Bucer in seinen Kommentaren immer wieder darauf aufmerksam macht, daß die Exegese auf den Skopus der Heiligen Schrift achten und die »analogia fidei« im Auge behalten muß. Diese hermeneutische Grundregel gilt natürlich auch für die Beurteilung der christlichen Predigt und Lehre. Denn mit der apostolischen Mahnung, alles zu prüfen und nur das Gute zu behalten (1. Thess. 5, 21) ist ja nicht an einen subjektiven Maßstab gedacht, sondern daran, eine Lehre auf ihre Übereinstimmung mit den Grundsätzen des Glaubens zu überprüfen (medicare ad analogiam fidei).

Augustinus: Vom Umgang mit der Schrift

Augustinus, Epistula 82,3 (an Hieronymus, CSEL 34/2, 354/FC 41/2, 266):

Ich habe gelernt, nur den Büchern der Schriften, die jetzt als kanonisch bezeichnet werden, solche Ehrfurcht und Achtung entgegenzubringen, dass ich felsenfest glaube, dass keinem ihrer Autoren beim Schreiben ein Irrtum unterlaufen ist. Und wenn ich in diesen Texten auf eine Stelle stoße, die der Wahrheit zu widersprechen scheint, dann habe ich keinerlei Zweifel, dass entweder die Abschrift fehlerhaft ist oder dass der Übersetzer die Aussage nicht richtig getroffen hat oder dass ich sie unzulänglich verstanden habe.

Die Heilige Schrift als Buch der Kirche?!

Der Bischof der Landeskirche Sachsen, Dr. Carsten Rentzing, hat in einem Vortrag zur Auslegung der Bibel an der Theologischen Fakultät Leipzig die radikale Subjektivierung der Bibelauslegung problematisiert und für eine kirchengemeinschaftliche Auslegung der Schrift geworben.

Ich stelle nachfolgend mal einige erstaunliche Zitate aus dem Vortrag zusammen:

Von da ab steht die Heilige Schrift Alten und Neuen Testaments in der Kirche in höchster Autorität. Die Entstehung des neutestamentlichen Kanons ist dabei kein Akt der Willkür. Keine kirchliche Einzelautorität hat aus der Unzahl von Schriften ausgewählt. In einem langjährigen Prozess haben sich vielmehr die Schriften herausgehoben, die von einer Unmittelbarkeit, einer „Erstlichkeit“ des Zeugnisses gekennzeichnet waren, die die ganze Wucht der Christusoffenbarung zum Ausdruck brachte.

Insoweit die historischkritische Methode den Blick auf die historische Einbettung und Bedingtheit von Texten gelegt hat, hat sie zu einem vertieften Verständnis der Worte der Heiligen Schrift beigetragen. Darin liegt ihre bleibende Bedeutung. Da allerdings, wo sie in epigonaler Verflachung zum Instrument dafür wird, die Geltung der Bibel nicht mehr so genau nehmen zu müssen, ist durchaus Kritik der historisch-kritischen Methode angebracht. Es sind vor allem die einst von Ernst Troeltsch in seinem berühmten Aufsatz von 1898 „Über historische und dogmatische Methode in der Theologie“ reklamierten Grundprinzipien, die einer Ideenkritik bedürfen. Zu diesen Prinzipien gehört die Kritik. Danach gibt es mit Blick auf die Geschichtsforschung nur Wahrscheinlichkeitsurteile und keine Gewissheiten. Dies gilt dann auch für Leben, Wirken und Lehre von Jesus. Als zweites Prinzip nennt Troeltsch die Analogie. Allem historischen Geschehen liegt demnach ein Kern von Gleichartigkeit zugrunde. So gibt es keine analogielosen Ereignisse. Was heute unmöglich ist, war und ist auch zu jedem anderen Zeitpunkt unmöglich, z. B. so etwas wie Totenauferstehung. Schließlich das Prinzip der Korrelation. Alles Geschehen im Kosmos läuft in einer Kette von Ursache und Wirkung ab. Damit gibt es keine direkte Einwirkung Gottes auf innerweltliche Vorgänge und Zusammenhänge.

Wahrscheinlich haben wir als Verkündiger in der evangelischen Tradition zu lange versäumt, die kirchlichen Bekenntnisse in unserer Kirche zu pflegen. Das aber wäre ein Versäumnis, das zu Lasten dessen geht, was man kirchliche Gemeinschaft nennt. Auf diese Art und Weise hätte man in der evangelischen Kirche zwar das Papsttum eines Einzelnen abgeschafft aber zugleich das Papsttum von Millionen einzelner Subjekte eingeführt. Und ich scheue mich nicht, das unlutherisch zu nennen!

Auch für Verkündigung und Auslegung hat dies wieder unmittelbare Auswirkungen. Wir haben in der Verkündigung deutlich zu unterscheiden, ob wir vom Gesetz oder vom Evangelium reden. Wir dürfen vom Gesetz nicht so reden als sei es das Evangelium und umgekehrt. In der Verkündigung gibt es keine Möglichkeit beim Gesetz stehen zu bleiben. Es gibt auch keine Möglichkeit ein „reines“ Evangelium ohne Gesetz zu predigen. Denn erst durch das Gesetz erhält das Evangelium seinen wahren Glanz. Ohne Gesetz bleibt es eine „Allerweltsbotschaft“.

Ad fontes (zurück zu den Quellen), communio sanctorum (Gemeinschaft der Heiligen) und magnus consensus (kirchlicher Konsens über Raum und Zeit hinweg) sind Eckpfeiler einer Suchbewegung, die auf Erkenntnis der Wahrheit und Erhalt der kirchlichen Einheit hin ausgerichtet ist. Und eine solche Suchbewegung ist der Kirche zu allen Zeiten nur zu wünschen!

Der Vortrag wurde in der soeben erschienenen Ausgabe Nr. 151 der Online-Publikation VELKD-Informationen herausgegeben und kann hier heruntergeladen werden: www.velkd.de.

Die Verborgenheit Gottes bei Siegfried Zimmer

Siegfried Zimmer hat es bei den Evangelikalen in Deutschland wie Rob Bell geschafft, populär zu werden. Dabei ist es interessant, wie sehr Zimmer die Verborgenheit Gottes „hervorhebt“. Ein Zitat aus meinem Aufsatz „Bibel und Bibelkritik“ (Daniel Facius (Hg.), Der Bibel verpflichtet: Mit Herz und Verstand für Gottes Wort, 2015, S. 277–279):

Letztlich ist Siegfried Zimmer – wie viele andere – auf der Suche nach einer metaphorischen oder symbolischen Wahrheit. Die Texte sind auf einen tieferen Sinn, auf einen allgegenwärtigen sensus plenior hin zu untersuchen. Wird die tiefere Wahrheit, also der Geist der Schrift im Gegensatz zu ihren bloßen Buchstaben, offengelegt, kann dies der Kirche geistliches Leben stiften.

Nun ist überhaupt nichts dagegen einzuwenden, in der Bibel nach mehr als nur nach historischen Wahrheiten zu suchen. Die Bibel enthält viele Erzählungen, Lieder, Gebete, Gleichnisse, Visionen usw. Das Ernstnehmen dieser Gattungen fördert zweifelsohne die ertragreiche Lektüre. Eine hervorstechende Leistung der vom Strukturalismus beflügelten Exegese ist es, Eigenarten von Textformen bis ins kleinste Detail zu beobachten und dadurch oft übersehene Feinheiten zutage zu fördern. Verfänglich wird es dann, wenn literarische Beobachtungen gegen die historische Verankerung von Erzählungen (so sie denn vorliegt) ausgespielt oder Denkfiguren einer doppelten Wahrheit eingeführt werden. Wir nehmen nach Zimmer die Bibel erst dann wirklich ernst, wenn wir (viele) ihrer Geschichten von ihrem Geschichtsbezug entbinden und symbolisch deuten. Der Graben zwischen der „Welt der Geschichte“ und der „Welt der Bibel“ bleibt also bestehen, ja es wird der Eindruck erweckt, Jesustreue ist daran abzulesen, dass dieser Graben akzeptiert wird. Auf der einen Seite haben wir die geschehene Offenbarung, auf der anderen die in der Heiligen Schrift aufgezeichneten Offenbarungszeugnisse.

Wir werden freilich mit den Schiffen oder Brücken der Symbolik, Allegorese oder Liturgie den garstigen Graben nicht queren. Wie soll aber Gott da noch klar reden? Führt das nicht zwangsläufig in die Unwirklichkeit Gottes? Ich finde es bemerkenswert, wie stark Zimmer die Verborgenheit Gottes herausstellt. Gottes „Wirken ist geheimnisvoll und unberechenbar“. Je „näher ich“ Gott „komme, desto geheimnisvoller wird er“. „Gott ist ein Geheimnis.“ „Auch in seiner Offenbarung bleibt Gott der verborgene Gott …“ „Wer sich dem verborgenen Gott anvertraut, wird erfahren, wie Gott durch die Bibel wirkt.“ „Es ist ein wichtiges Kriterium für die geistliche Qualität einer christlichen Gruppe, ob sie die Verborgenheit Gottes gebührend ernst nimmt, gerade auch in ihrem Verständnis der Bibel.“

Wie anders redet doch Paulus. Natürlich kennt auch er den unausforschlichen, verborgenen Gott (vgl. Röm 9, vgl. Jes 45,15). Doch weiß er, dass sich dieser unsichtbare Gott in seinen Werken allen Menschen so unzweideutig offenbart, dass sie keine Entschuldigung für ihren Undank haben (vgl. Röm 1,18–22). Vor allem aber hat Gott ihm und anderen Aposteln und Propheten durch den Geist das Geheimnis des Christus, welches früheren Generationen verborgen blieb, offenbart (vgl. Eph 3,3–9). Der Apostel ist eingesetzt, das Wort Gottes auszurichten, nämlich „das Geheimnis, das seit Urzeiten und Menschengedenken verborgen war – jetzt aber seinen Heiligen offenbart worden ist“ (Kol 1,26). In Jesus, in dem gekreuzigten Christus, im Evangelium also, ist Gott offenbar und wird von den Seinen im Glauben erkannt. Der verborgene Wille Gottes – so hat Luther es einmal gesagt – ist „nicht zu erforschen“, sondern als ein Geheimnis „in Ehrfurcht anzubeten“. Erkannt und verkündigt wird Gott im Evangelium, bei dem allein wir Menschen Rettung und Trost finden (vgl. 1Kor 1,18–2,16). Jenen, die gerettet werden, ist dieses Evangelium Gottes Kraft und herrliche Freude (1Kor 1,18; 1Petr 1,8). „Was kann denn in der Schrift noch Erhabenes verborgen sein“ – schreibt Luther, „nachdem die Siegel gebrochen sind und der Stein von der Tür des Grabes weggewälzt worden ist? Womit das höchste Geheimnis an den Tag gekommen ist, dass nämlich Christus, der Sohn Gottes, Mensch geworden ist, dass Gott dreieinig ist und ein einziger, dass Christus für uns gelitten hat und in Ewigkeit herrschen wird.“ „Gott selbst wäre uns fern und verborgen, wenn uns Christus nicht mit seinem Glanz umstrahlte“, schreibt Calvin. Aber der „Vater hat alles, was er hatte, dem Eingeborenen gegeben, um sich uns in ihm zu offenbaren“. Deshalb ist in Christus „Gottes Herrlichkeit für uns sichtbar“.

Die postmoderne Hermeneutik eines Rob Bell

Rob Bell hat es bei den Evangelikalen in Deutschland zu einer erstaunlichen Popularität gebracht, obwohl er seine dramatisch defizitäre Hermeneutik bereits in dem Buch Velvet Elvis (Gießen, 2007) offengelegt hat. Zitat aus dem Aufsatz „Bibel und Bibelkritik“ (Daniel Facius (Hg.), Der Bibel verpflichtet: Mit Herz und Verstand für Gottes Wort, 2015, S. 264):

Nicht das, was der Text objektiv sagt (kein Text sagt etwas objektiv), sondern das, was der Text in uns auslöst, ist entscheidend für das Textverständnis. Nicht der Ursprungstext ist autoritativ, sondern das, was dieser Text mit uns macht. Gott hat gesprochen, alles andere ist Interpretation. Rob Bell, ein ehemaliger Pastor, dessen Bücher auch in Deutschland von jungen Leuten gern gelesen werden, treibt diese Hermeneutik auf die Spitze. Seiner Meinung nach „ist die Bibel noch nicht abgeschlossen“, sondern muss durch die Ausleger finalisiert werden. Jemand muss bestimmen, was die Texte bedeuten. Jesus habe seinen Jüngern den Auftrag gegeben, „selbst zu entscheiden, wie die Schrift am besten ins Leben umgesetzt wird“. Allerdings dürfen wir nicht erwarten, dass sich die Jünger auf die Bedeutung von Bibeltexten einigen. Wer meint, die Bibel wörtlich nehmen und verstehen zu können, hängt einer „verzerrten und vergifteten“ Sicht der Bibel an. Wir müssen akzeptieren, dass wir beim Auslegen der Bibel immer etwas in sie hineinlegen. „Jede Auslegung ist im Wesentlichen eine persönliche Meinung. Niemand ist objektiv.“ Kurz: Wir können nicht wissen, was Gott sagt. Alles, was wir haben, sind unsere Deutungen, die in der Regel erheblich voneinander abweichen. Wir müssen lernen, damit zu leben.

Bibelauslegung und -hermeneutik in der Reformationszeit

Plakatbibelhermeneutik2014Im Jahr 2014 wird wieder eine reformationshistorische Tagung an der STH Basel stattfinden. Nach der Calvin-Tagung (2009) und der Tagung „Basel als Zentrum des geistigen Austausches in der frühen Reformationszeit“ (2012) wird es diesmal um das Thema  „Bibelauslegung und -hermeneutik in der Reformationszeit“ gehen. Vorbereitet wird das Ereignis von Johann Anselm Steiger (Hamburg), Christine Christ-von Wedel (Basel) und Sven Grosse, mit Beratung durch Berndt Hamm (Erlangen/Ulm).

Wie gut Anselm Steiger den Stoff kennt, wird an seinem Buch Philologia Sacra: Zur Exegese der Heiligen Schrift im Protestantismus des 16. bis 18. Jahrhunderts deutlich. Sehr gern würde ich den Vortrag von Andreas Beck (ETF Löwen, Belgien) zum Thema „Römerbriefexegese und Prädestinationslehre: Martin Bucer als Exeget“ hören.

Hier der Flyer: EinladungStudientagung2014.pdf. Anmelden kann man sich hier: www.sthbasel.ch.

VD: FL

Luther: Wenn du Christus aus den Schriften nimmst

Martin Luther schreibt in De servo arbitro über die Klarheit der Heiligen Schrift:

Nimm Christus aus den Schriften – was wirst du noch in ihnen finden? Was in den Schriften enthalten ist, liegt aber alles offen zu Tage, auch wenn manche Stellen bis jetzt wegen unbekannter Worte undeutlich sind. Töricht aber ist es und gottlos, wenn man weiß, dass die Dinge der Schrift ganz klar zu Tage liegen, und dann behauptet, wegen weniger undeutlicher Worte seien die Dinge selbst undeutlich. Wenn die Worte an einer Stelle undeutlich sind, sind sie doch an einer anderen Stelle klar. Ein und dieselbe Sache aber, ganz deutlich der ganzen Welt erklärt, wird in der Schrift mal mit klaren Worten ausgesagt, mal verbirgt sie sich bisher hinter undeutlichen Worten. Nun macht es nichts, wenn die Sache am Licht ist, ob irgendein Zeichen in Dunkelheit liegt, weil ja unterdessen viele andere ihrer Zeichen am Licht sind. Wer würde sagen, ein öffentlicher Brunnen sei nicht am Lichte, bloß weil die, die in einer Seitengasse stehen, ihn nicht sehen, alle anderen aber, die auf dem Markt stehen, ihn sehen?

Dass aber vielen vieles dunkel bleibt, geschieht nicht durch die Undeutlichkeit der Schrift, sondern durch die Blindheit und den Stumpfsinn derer, die nichts tun, um die überaus klare Wahrheit zu sehen. So wie Paulus von den Juden 2Kor 4 sagt: »Die Decke bleibt über ihren Herzen.« Und wiederum: »Wenn unser Evangelium verhüllt ist, ist es in denen verhüllt, die verloren gehen, deren Herzen der Gott dieser Welt verblendet hat.« Mit derselben Unverfrorenheit könnte der die Sonne oder den Tag als dunkel beschuldigen, der sich selbst die Augen verhüllt oder vom Licht in die Dunkelheit geht und sich verbirgt. Die elenden Menschen sollen also aufhören, die Finsternis und die Dunkelheit ihres Herzens in gotteslästerlicher Verkehrung den Schriften Gottes anzulasten, die ganz und gar klar sind.

Das kurze Zitat verteidigt nicht nur eine christo-zentrische Hermeneutik, es stellt eindrücklich heraus, wie sehr sich die Erwartungshaltung vieler Theologen heute von der der Reformatoren damals unterscheidet. Während Luther Schwierigkeiten bei der Schriftauslegung mit der geistlichen Verschlossenheit des in sich selbst verkrümmten Menschen begründete, heißt es heute oft: »Da hätte Gott sich eben verständlicher erklären müssen!«

Noch einmal Luther dazu: »Die elenden Menschen sollen also aufhören, die Finsternis und die Dunkelheit ihres Herzens in gotteslästerlicher Verkehrung den Schriften Gottes anzulasten …«

Is There a Meaning in This Text?

0310324696.jpgAls ich vor ungefähr acht Jahren das Buch Is There a Meaning in This Text? von Kevin J. Vanhoozer bekam, war ich tief beeindruckt von der Gründlichkeit und Sachlichkeit, mit der Vanhoozer die Herausforderungen der postmodernen Hermeneutik darstellt und bearbeitet.

Auch wenn ich ihm nicht in allen Schlussfolgerungen folge, möchte ich sein Buch, das im September 2009 in einer Jubiläumsausgabe erscheint, sehr empfehlen.

D.A. Carson sagt zum Buch:

What starts off as contemporary hermeneutics to justify the move from biblical text to systematic theology becomes full-blown, highly sophisticated, theological hermeneutics in Is There a Meaning in This Text?. The decade this book has been in print has not diminished my enthusiasm for it. Vanhoozer is one of the few contemporary scholars who takes a balanced measure of postmodern thought within an unflinching Christian confessionalism. Here is neither mere traditionalism nor ephemeral faddishness. If in certain respects the discussion has moved on since Vanhoozer authored this book, that is merely a way of saying that his contribution toward pointing the way forward—the Christian way forward—out of several interpretive morasses has been seminal.

Hier eine Leseprobe mit Inhaltsverzeichnis. Das Buch:

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