Medienkritik

Empörungskultur

Die Redakteurin Anno Dobler weiß, was es heißt, Ziel eines Shitstorms zu werden. Der Druck auf Redaktionen und Journalisten wächst, da Aktivisten, linke wie rechte, zur Treibjagd auf Autoren aufrufen. Mit einem gewissen Abstand zu den eigenen Erfahrungen hat sie über die Dynamiken eines Shitstorms reflektiert:

Sie bauen sich schnell auf und ergießen sich in einer Empörungslava mit gewaltiger Wucht. Fast kein Tag vergeht mehr, ohne dass in digitalen Plattformen, vorzugsweise auf Twitter, irgendwer Ziel eines Shitstorms wird. Oft verebben die Empörungsstürme nach kurzer Zeit ohne größeren Widerhall in der analogen Welt, weil das Ziel zu irrelevant, zu wenig greifbar oder generell zu unantastbar ist.

Komplexe Organisationen wie Fernsehsender oder Zeitungen sind in Summe schwerer zu treffen, weswegen sich die digitale Empörung vor allem gegen einzelne Mitarbeiter richtet, die als nicht sattelfest identifiziert worden sind: freie Mitarbeiter, Kolumnisten, externe Autoren etwa. Aber auch Vertreter politischer Parteien sind betroffen, wenn sie nicht an vorderster Front stehen.

Beispiele gibt es in jüngster Zeit ausreichend, so dass man längst nicht mehr von Einzelfällen sprechen kann. Jeder erfolgreiche Schachzug motiviert freilich jene, die ihn initiiert haben, zu immer neuen, immer heftigeren Reaktionen. Die Dynamik darf nicht verlorengehen.

Aus demokratiepolitischer Sicht ist das eine hochproblematische Entwicklung. Denn es muss in jedem Fall klar unterschieden werden: Handelt es sich hier um eine berechtigte Empörung, weil nicht nur die guten Sitten, sondern vor allem die Grenzen der Meinungsfreiheit grob verletzt worden sind, oder geht es hier lediglich um subjektiv verletzte Gefühle?

Ein guter Gradmesser sind die gesetzlichen Rahmenbedingungen. Denn die Justiz kann zweifellos anhand objektiver Kriterien feststellen, ob eine Aussage noch innerhalb der gesetzlichen Grenzen liegt.

Mehr: www.corrigenda.online.

Die „Twitter Files“

Jahrelang haben Regierungen weltweit beeinflusst, welche Informationen die Bevölkerung zu sehen bekommt und welche nicht. In Deutschland interessiert sich allerdings kaum jemand für die sogenannten „Twitter Files“. Dabei dürfen wir vermuten, dass diese Praxis auch hierzulande zum Einsatz kommt.

Jakob Schirrmacher hat für DIE WELT einige Erkenntnisse zusammengetragen und folgert: 

Transparenz. Die Glaubwürdigkeit verliert sich in der Verschleierung. User, die nicht wissen, ob und warum sie „geblacklistet“ wurden, oder der Ausschluss von Wissenschaftlern aus der Diskussion über global relevante Themen sind durchaus als demokratiegefährdend zu betrachten. Hier sollten aber vor allem auch regierungsnahe Organisationen dafür zur Rechenschaft gezogen werden, eine so stringente Content-Politik einzufordern. Nicht zuletzt hat die Europäische Kommission Elon Musk mit harten Sanktionen gedroht, falls dieser nicht härter gegen „Desinformationen“ im Kontext der Corona-Pandemie vorgeht. Doch wer bestimmt hier eigentlich, was Desinformation ist und was nicht?

Wir sollten hellhörig werden, wenn Big-Tech-Unternehmen auf Druck von Regierungsapparaten ihre Content-Politik anpassen müssen – vor allem, wenn die Grenzen des ethisch Vertretbaren immer weiter ausgereizt werden. 

Mehr (allerdings hinter einer Bezahlschranke): www.welt.de.

Gendersender

Rund 350 Sprach- und Literaturwissenschaftler hatten im Sommer einen Aufruf unterzeichnet, der die Gendersprache im öffentlich-rechtlichen Rundfunk kritisiert (vgl. dazu hier). Auf eine inhaltliche Einlassung der Anstalten warten sie bis heute. 

Die FAZ gab einem Mitverfasser des Aufrufs die Möglichkeit, einen Gastbeitrag zu veröffentlichen. Darin heißt es:

Die gesellschaftliche Akzeptanz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist in den letzten Jahren gesunken. Der ÖRR steckt in einer Vertrauenskrise. Schlagwörter dieser Krise sind: Vetternwirtschaft, Filz, Intransparenz, aufgeblähte Strukturen, üppige Gehälter, Haltungs- und Tendenzjournalismus. Und als genügten all diese Faktoren nicht, griff wie auf Absprache vor rund zwei Jahren auf allen Kanälen flächendeckend der Einsatz der sogenannten gendergerechten Sprache um sich. Mit dem „betreuten Sprechen“ (Joachim Gauck) treiben die Sender einen weiteren Keil zwischen sich und die Medienkonsumenten. Kritik an ihrer belehrenden, ideologisch motivierten Sprachpraxis lassen ARD und ZDF ebenso trotzig wie selbstgerecht an sich abperlen. Man sieht sich auf der Seite des moralischen Fortschritts und inszeniert sich als Avantgarde sprachlicher Erneuerung, fälschlicherweise als „Sprachwandel“ deklariert.

Mehr (hinter einer Bezahlschranke): www.faz.net.

TV: Jeden Freitag derselbe Krimi

Der ÖRR steckt nicht nur in einer System- und Personalkrise, sondern auch in einer Qualitätskrise. Giovanni di Lorenzo wies etwa kürzlich darauf hin, dass konservative Stimmen dort gar nicht mehr auftauchen (vgl. hier):

»Es sind ihrer vier: Kostenblöcke wie die für Gehälter und Pensionen, die sich nicht einfach reduzieren lassen. Die Altersstruktur der Zuschauer. Die Frage, worauf sich das Programmangebot konzentrieren soll. Und der Umstand, dass sich ein Teil der Bevölkerung vom Weltbild vieler öffentlich-rechtlicher Journalisten nicht repräsentiert fühlt, obwohl auch er für das Programm bezahlt. So gibt es heute im öffentlich-rechtlichen Fernsehen keine einzige profilierte konservative Stimme mehr.«

Claudius Seidl hat für die FAZ die desaströse Lage im Bereich Film so wunderbar beschrieben, dass ich es hier gern mal wiedergebe: 

Wie diese Gebühren verschwendet werden, offenbart sich nicht nur in der Affäre Schlesinger. Es genügt ein Blick ins Fernsehprogramm. Eine Folge „In aller Freundschaft“ kostet ungefähr ein Intendantenjahresgehalt. Ein Rosamunde-Pilcher-Film hat das gleiche Budget wie die Renovierung der RBB-Chefetage. Gegen beides wäre, da es ja seine Zuschauer findet, viel weniger zu sagen, wenn es nicht so viel davon gäbe. Zu viel, wie jede Stichprobe zeigt. An einem Montag: Donna Leon im Ersten, Bodensee-Krimi im Zweiten. An einem Dienstag: „Die Kanzlei“, danach „In aller Freundschaft“. Es gibt „Sokos“, fast schon aus jeder Mittelstadt, es gibt Barcelona-Krimis, Mordkommission Istanbul, alles aus deutscher Produktion. Und natürlich Spreewald-Krimis, Erzgebirgskrimis, „München Mord“. Was nicht nur die Verengung fast aller narrativen Möglichkeiten auf die Aufklärung von Morden und das Erfinden immer neuer und einander doch so schrecklich ähnlicher Motive zur Folge hat – letztlich also ein Bild der Gesellschaft als Ansammlung von Verdächtigen. Wer zum Beispiel die Angewohnheit hat, freitags das „heute journal“ zu sehen, und, um nichts zu versäumen, ein paar Minuten zu früh einschaltet, muss den Eindruck haben, es werde jeden Freitag derselbe Krimi immer wieder gesendet: so ununterscheidbar sind die betroffenen Gesichter, die Umarmungen der Davongekommenen, die Musik scheint ein endloser Loop zu sein.

Mehr: www.faz.net.

Marie-Luise Vollbrecht vertritt einen inhumanen Biologismus

Wahrscheinlich hat es inzwischen jeder mitgekommen: Die Biologin Marie-Luise Vollbrecht wollte in der „Langen Nacht der Wissenschaften“ in Berlin an der Humboldt-Universität einen Vortrag über Sex und Gender halten. Aus Sicherheitsgründen wurde der Auftritt abgesagt. Denn Frau Vollbrecht ist dafür bekannt, dass sie die biologische Zweigeschlechtlichkeit des Menschen für gegeben hält. Wir dürfen dankbar sein, dass die Absage des Vortrags vielen Redaktionen aufgestoßen ist. Susanne Gaschke schrieb:

Normale Menschen werden nicht begreifen, warum diese biologische Erkenntnis so kontrovers ist, dass Genderaktivisten ihre Kommilitonin und die Universität mit Demonstrationen und offenbar auch mit Gewalt bedrohten – anders wäre jedenfalls nicht zu verstehen, warum die Uni-Leitung sofort einknickte und den Vortrag aus „Sicherheitsgründen“ im „Interesse der Gesamtveranstaltung und der Besucherinnen und Besucher“ absagte.

Thomas Thiel meinte: „Für Vollbrecht sind die Anfeindungen keine Bagatelle. Der Vorwurf der Trans- und Menschenfeindlichkeit schadet ihrer Reputation und gefährdet ihre Laufbahn. Für die Wissenschaft ist es eine gefährliche Tendenz, wenn ganze Disziplinen unter Verdacht gestellt werden.“

Der Druck auf die Humboldt-Universität war offensichtlich so stark, dass diese sich gedrängt fühlte, zu reagieren. Die FAZ informiert darüber, dass der gecancelter Gender-Vortrag am 14. Juli nachgeholt werden soll. Freilich erwartet die Universität, dass die Biologin ihre Behauptungen „kontextualisiert“.

Es gibt aber auch anderslautende Stellungnahmen. Volker Beck, der uns als „Vater“ der „Ehe für alle“ in Erinnerung bleiben wird, schreibt etwa auf Twitter: „Sicherheitsbedenken sollten kein Grund zur Absage eines Vortrages in einer demokratischen Gesellschaft sein. Die Ablehnung des inhumanen Biologismus der Vortragenden schon.“ Mit anderen Worten: Nach Beck ist die Behauptung, dass es nur zwei biologische Geschlechter gibt, unmenschlich. Aber nicht nur das: Es sollte eigentlich verboten werden, so etwas zu behaupten.

Die Nachrichtenagentur ntv meldet:

Bei der „Langen Nacht der Wissenschaften“ der Humboldt-Uni Berlin soll eigentlich auch die Biologin Vollbrecht sprechen. Doch Vollbrecht ist wegen ihrer Positionen in der Gender-Debatte höchst umstritten. Eine Studentenvereinigung kündigt Proteste an, die Uni-Leitung sagt den Vortrag kurzerhand ab.

Das muss man sich mal vorstellen. Die Redaktion benutzt das Wording „höchst umstritten“, weil Frau Vollbrecht als Biologin in der Genderdebatte die Position verteidigt: es gibt zwei Geschlechter.

Da wir schon mal beim Thema sind: Michael Kämpfer hat 2019 eine TV-Sendung des Wissenschaftsjournalisten Ranga Yogeshwar zum Thema Zweigeschlechtlichkeit untersucht. Dabei hat er feststellen müssen, dass „der Aufklärer“ des öffentlich-rechtlicher Rundfunks ein Lehrstück postmoderner Umdeutung naturwissenschaftlicher Erkenntnisse abgeliefert hat. Fazit: „Warum gibt es mehr als zwei Geschlechter? Nicht weil es dafür eine reale Entsprechung in der Natur gäbe, sondern weil postmoderne Denkweisen eine nicht gerechtfertigte Umdeutung von Wissenschaft und Wirklichkeit bewirkt haben.“ Es lohnt sich, diese Analyse anzuschauen: b-19-2_geschlechter.pdf.

Rückkehr zu Fakten bei der menschlichen Biologie

Auch die NZZ berichtet inzwischen darüber, dass eine Gruppe von Wissenschaftern und Ärzten sich in einem Aufruf gegen eine aus ihrer Sicht Ideologie-basierte Berichterstattung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk wendet (vgl. hier). Susann Kreutzmann schreibt für die Zeitung:

Frei verfügbar war beispielsweise auch ein Beitrag von «Y-Kollektiv», einem YouTube-Kanal von «Funk», über sogenannten Chemsex. Weit über eine halbe Million Aufrufe gab es für diese Reportage, in der ein jugendlicher Reporter schwule Männer dabei filmt, wie sie Gruppensex mit anderen Homosexuellen haben und sich dabei die Droge Crystal Meth anal einführen, wie die Initiatoren des Aufrufs schreiben.

Die Initiatoren wenden sich dagegen, dass in Beiträgen für Kinder und Jugendliche geschlechtsangleichende Operationen als «kinderleichter Schritt» geschildert werden. Die psychischen und körperlich irreversiblen Folgen beim Einsatz von Pubertätsblockern, bei der Gabe gegengeschlechtlicher Hormone und der chirurgischen Entfernung von Penis, Brust und Gebärmutter würden bestenfalls nebenbei erwähnt, schreiben sie.

Das 50-seitige Dossier „Ideologie statt Biologie im ÖRR“, in dem etliche Beispiele dokumentiert werden, kann übrigens hier heruntergeladen werden. Ich weise freilich darauf hin, dass der Leser bei einer Lektüre starke Nerven braucht. Nicht jeder muss die Dokumentation studieren.

Hier geht es zum Artikel der NZZ: www.nzz.ch.

Wie ARD und ZDF unsere Kinder sexualisieren und umerziehen

Was ist mit den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten los? Wir erleben derzeit, wie die Gesellschaft in sexualethischen Fragen neu formatiert wird und die Medien quasi einen Erziehungsauftrag wahrnehmen. Fünf Gastautoren, Biologen und Mediziner haben für die DIE WELT Beiträge des öffentlich-rechtlichen Rundfunks analysiert. Ihr Vorwurf: ARD, ZDF & Co. verfolgten eine bedrohliche Agenda. 

Eine besondere Verantwortung hat der ÖRR hierbei gegenüber Kindern und Heranwachsenden. Wenn diese das Jugendprogramm des ÖRR in Sendungen, im Internet oder auf sozialen Medien konsumieren, kann nichts schiefgehen, mögen Eltern vertrauensvoll denken. Tatsächlich aber sind wir auf Kanälen wie „Funk“, „Reporter“, „Die da oben“, und „Y-Kollektiv“ auf Beiträge gestoßen, die Kannibalismus (über 2,5 Millionen Aufrufe), Vampir-Fetische (über eine Million Aufrufe) oder „Wie ist es, vergewaltigt zu werden?“ (über 3 Millionen Aufrufe) unreflektiert an Kinder herantragen.

In TV-Sendungen, Rundfunkbeiträgen und auf den Social-Media-Kanälen des ÖRR ist zudem – immer ausgehend von der Falschaussage der Vielgeschlechtlichkeit – „trans“ ein Dauerthema. Der „Weg in den richtigen Körper“ wird als kinderleichter Schritt geschildert. Es geht um den Einsatz von Pubertätsblockern, die Gabe gegengeschlechtlicher Hormone und die chirurgische Entfernung von Penis, Brust und Gebärmutter. Die psychischen und körperlich schweren und irreversiblen Folgen solcher Maßnahmen werden allerdings entweder überhaupt nicht geschildert oder bestenfalls nebenbei erwähnt.

Stattdessen zielt die Berichterstattung darauf ab, den Forderungen von Trans-Lobbygruppen Gehör zu verschaffen, denen zufolge man das biologische Geschlecht wechseln könne, indem man sich sozial schlicht als dieses Geschlecht „identifiziere“. Bis hin zur „Sendung mit der Maus“ wird das sogenannte „Selbstbestimmungsgesetz“ vollkommen unkritisch beworben.

Mehr (hinter einer Bezahlschranke): www.welt.de.

Unser digitales Ich in der Doppelrolle

„Heutzutage verirren wir uns in einem Labyrinth aus Spiegeln, das unser Selbstbild verzerrt“1, schreibt der Anthropologe Thomas de Zengotita. Er behauptet, dass unsere Bildschirmtechnologie im digitalen Zeitalter einen neuen Gipfel der Sucht erreicht hat. Denn unsere Bildschirme ermöglichen es uns, Zuschauer und Star zugleich zu sein. Tony Reinke schreibt: 

Unsere Kultur, in der immer eine Kamera griffbereit ist, hat uns verändert. Bis zum Jahr 1920 hielt niemand es für nötig, für ein Foto zu lächeln. Heute müssen wir alle bereit sein, jeden Moment fotografiert zu werden und die perfekte Pose für ein Foto einzunehmen. Wahrnehmung ist alles, und in den sozialen Medien formen wir das Schauspiel um uns selbst. Während wir die von uns ausgewählte Rolle vor der Kamera spielen, stellen wir fest, dass uns die Magie computergenerierter Bilder (CGI) in die Hände gelegt wurde. Wir können unser digitales Selbst jetzt durch zahllose Filter, Linsen und Bitmojis bearbeiten – eine einzigartige Möglichkeit der Verformbarkeit unseres Ichs, die so noch keiner Generation in der Geschichte der Menschheit zur Verfügung stand.

Mehr: www.evangelium21.net.

Neil Postman: Wenn nicht mehr gelesen wird

Neil Postman trat Mitte der 1980er Jahre in einer PBS-Sendung auf, um über die Auswirkungen des Fernsehens auf die Schriftkultur zu sprechen. Leider hat sich viel von dem, was er damals sagte, bewahrheitet. Der Betrag ist digitalisiert worden und kann hier angeschaut werden (leider nur in englischer Sprache).

Neil Postman über den Cyberspace

Rückblickend kann man über diese Vorhersage und Manung von Neil Postman nur staunen:

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