Syst. Theologie

Wofür steht Frauke Brosius-Gersdorf beim Lebensrecht?

Obwohl sich mehrere CDU/CSU-Bundestagsabgeordnete und Landesminister der Union kritisch zur Nomininierung von Frauke Brosius-Gersdorf für das Verfassungsgericht geäußert haben, ist sie gestern vom Wahlausschuss des Bundestags für das Amt vorgeschlagen worden. Laut Jens Spahn eine Kompromisslösung: Die Sozialdemokraten sicherten angeblich zu, dass Brosius-Gersdorf nicht Vizepräsidentin des Verfassungsgerichts werden solle.

Dieser gesamte Vorgang ist beachtlich, da bekannt ist, dass die Rechtsprofessorin nicht allen Menschen die Menschenwürde zugestehen möchte. Heißt es doch im Grundgesetz Arikel 1: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“

Stephan Klenner berichtet für die FAZ: 

Frauke Brosius-Gersdorf arbeitete in der Regierungskommission der Ampelkoalition zu einer möglichen Reform des Schwangerschaftsabbruchs mit. Im von ihr verantworteten Kapitel des Kommissionsberichts ist zu lesen, für die Geltung der Menschenwürde „erst für den Menschen ab Geburt“ sprächen „gute Gründe“. In einem Festschriftbeitrag zu Ehren ihres Doktorvaters, des Rechtsphilosophen Horst Dreier, schrieb Brosius-Gersdorf im vergangenen Jahr, „die Annahme, dass die Menschenwürde überall gelte, wo menschliches Leben existiert“, sei „ein biologistisch-naturalistischer Fehlschluss“.

Diese Auffassung steht im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Die Karlsruher Richter schrieben in ihrem Abtreibungsurteil im Jahr 1993, die Menschenwürde komme „schon dem ungeborenen menschlichen Leben zu“. Für Brosius-Gersdorf sind Menschenwürde und Lebensschutz hingegen „rechtlich entkoppelt“. Die Potsdamer Staatsrechtsprofessorin stützt ihre Haltung auf die Kommentierung Horst Dreiers zum Menschenwürde-Artikel im Grundgesetz. Dreier wurde im Jahr 2008 von der SPD als Bundesverfassungsrichter nominiert. Seine Wahl scheiterte an der Union, die sich an seinen Formulierungen zur Menschenwürde störte. Brosius-Gersdorf schreibt hingegen, Dreier habe beim Thema Menschenwürde „Meilensteine in der rechtswissenschaftlichen Diskussion gesetzt“.

Die Ansichten von Brosius-Gersdorf zur Menschenwürde werden auch von etlichen Juristen, die ein liberaleres Abtreibungsrecht befürworten, nicht geteilt. Dies gilt auch für Teile der SPD. Die frühere Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt hat vor der Sitzung des für die Verfassungsrichterwahl zuständigen Bundestagsausschusses am Montag hervorgehoben, dass für sie die Menschenwürde bereits vor der Geburt gilt. „Für mich als Sozialdemokratin und Bundesvorsitzende der Lebenshilfe ist es wichtig, dass wir niemals zwischen lebenswertem und nicht lebenswertem Leben unterscheiden. Jedes Leben ist lebenswert – und hat Menschenwürde auch schon im Mutterleib“, sagte Schmidt der F.A.Z.

Die frühere Bundesgesundheitsministerin ist seit 2012 Bundesvorsitzende der Bundesvereinigung Lebenshilfe, die sich für Menschen mit geistiger Behinderung einsetzt. Schmidt sagte der F.A.Z., „dass die Menschenwürde bereits im Mutterleib gilt“, sei auch für den „gesellschaftlichen Umgang mit Menschen mit Behinderungen wichtig“.

Mehr: www.faz.net.

Der heterosexuelle Mann als Spielzeug

Wer sich heute dazu bekennt, kein Feminist zu sein, muss damit rechnen, in die rechte Ecke gestellt zu werden (vgl. hier u. hier). Schließlich können, so denken jedenfalls viele, nur Feministen demokratisch sein. Dabei hat der Feminismus den Mann inzwischen dermaßen dekonstruiert, dass es eigentlich progressiv wäre, für den Maskulismus einzutreten. 

Was meine ich damit?

Der alte Feminismus, obwohl ideologisch, vertrat meines Erachtens etliche schätzenswerte Anliegen, z.B. den Zugang zu Bildung oder das Wahlrecht für Frauen. Er wendete sich auch gegen die Verzweckung von Frauen. Die besten kritischen Bücher zum Thema Pornographie, die ich gelesen habe, stammen von Feministinnen.

Damals war der Mann noch nicht das Problem, sondern ein Gegenüber, mit dem sich Frauen auseinandersetzten.

Der Feminismus der sogenannten „dritten Welle“ ist hingegen intersektional, dekonstruktiv und queer. Es geht weniger um Gleichberechtigung als um Empowerment (also mehr Selbstbestimmung, Ermächtigung etc.). Dieser Feminismus begann, den Mann zu demontieren und zu bekämpfen. Und heute sind wir soweit, dass die Männer scheinbar nur noch als Spielzeuge zu gebrauchen sind. Das Model Emily Ratajkowski erklärte am 19. Juni 2025 etwa der Zeitschrift ELLE:

„Ich mag Männer immer noch“, fügt sie hinzu. „Ich habe nur keine heterosexuellen Männer in meinem Leben, es sei denn, sie sind romantisch interessant. In der Hierarchie der Bedürfnisse steht das ganz oben auf der Pyramide, was schön ist. [Männer sind] Vergnügen und Spaß, aber nicht Teil meines Kernlebens. Der Rest meines Lebens besteht aus der Gemeinschaft mit anderen Frauen und queeren Menschen und dem Muttersein.“ Mit diesen Frauen – darunter das Model und die Schauspielerin Adwoa Aboah – zu Abend zu essen und etwas zu trinken, gehört zu ihren Lieblingsbeschäftigungen. „Es macht so viel Spaß, mit meinen Freundinnen zu quatschen“, sagt sie lachend. Die beiden fahren diesen Sommer zusammen in den Urlaub, und ja, „es wird brat“ [spöttische Bezeichnung für ein unartiges oder freches Kind]. 

Mirna Funk zeigt in ihrem sehr lesenswerten Artikel „Der heterosexuelle Mann als Fehler“, dass dieser Feminismus allerdings gar nicht den Sehnsüchten der meisten Frauen entspricht. Zitat:

Während medial Männerbashing als Empowerment gilt, wächst gleichzeitig das Interesse vieler junger Frauen an traditionellen Lebensmodellen. Laut einer Umfrage von 2021 wünschen sich 62 Prozent der Frauen unter 30 ein „klassisches Familienmodell“ mit einem Hauptverdiener und einer daheimbleibenden Mutter. In den USA zeigt eine Pew-Studie von 2022, dass fast die Hälfte aller jungen Frauen angibt, sich in Zukunft mehr um Kinder als um Karriere kümmern zu wollen. Ein Beweis dafür, dass weder die zweite noch die dritte Welle zu den gewünschten Ergebnissen geführt hat. Denn emanzipiert ist eben nicht, wer Männer ausschließt. Emanzipiert ist, wer mit ihnen auf Augenhöhe leben kann. Wer nicht von der Unterwürfigkeit in die Überheblichkeit kippt. Von unterdrückt zu überlegen. Von Anpassung zu Arroganz. Wer denkt, Emanzipation bedeute die Machtverschiebung zugunsten der Frau, hat sie nicht verstanden. Wahre Gleichheit entsteht nicht im Machtkampf, sondern in der Beziehung. In der Verantwortung. In der Koexistenz.

Es ist anstrengender, mit Männern zu arbeiten, zu streiten, zu sprechen, als sie einfach auszuschließen. Es ist anstrengender, sich gegenseitig ernst zu nehmen, als sich gegenseitig zu canceln. Aber es ist genau diese Anstrengung, die Gesellschaft ausmacht. Alles andere ist Lifestyle. Und der kann noch so laut „Feminismus“ rufen. Er bleibt Eskapismus [d.h. die bewusste oder unbewusste Flucht aus der Realität] und vor allem Verweigerung. Die Verweigerung, sich ebenbürtig am gesellschaftlichen Geschehen zu beteiligen.

Mehr (hinter einer Bezahlschranke): www.welt.de.

„Konversionsmaßnahmen-Schutz-Gesetz“

Das in Österreich geplante „Konversionsmaßnahmen-Schutz-Gesetz“ zeigt die Konturen eines staatlich-totalitärer Eingriffs in Elternrechte sowie in Therapie- und Gewissensfreiheit. DIE TAGESPOST schreibt: 

Ein brisantes Gesetzesvorhaben der österreichischen Regierung ist an die Öffentlichkeit gelangt: Das geplante „Konversionsmaßnahmen-Schutz-Gesetz“ präsentiert sich als Schutzmaßnahme, entpuppt sich jedoch als staatlich-totalitärer Eingriff in Elternrechte, Therapie- und Gewissensfreiheit. Das Gesetz erfasst Minderjährige, die sich als „transgender“ empfinden. Es untersagt jede kritische Hinterfragung des Geschlechtsumwandlungswunsches bei Jugendlichen, sei es durch Ärzte oder Eltern. Solche Gespräche würden bereits als strafbare „Konversionsmaßnahme“ gelten. Medizinern, Therapeuten, Seelsorgern und Eltern drohen bis zu einem Jahr Gefängnis oder Geldstrafen bis 30 000 Euro. Erziehungsberechtigte riskieren den Verlust des Sorgerechts. So ein Gesetz ist unnötig und gefährlich.

Die Statistiken aus Österreich sind alarmierend: Zwischen 2004 und 2013 wurden 77 Mastektomien durchgeführt, von 2014 bis 2023 über 1 100 Brustamputationen bei jungen Frauen im Zuge „affirmativer Therapien“. Das Paradox: Eine 15-Jährige kann einfordern, sich die Brüste entfernen zu lassen, weil sie sich als Junge fühlt. Aber weder Eltern noch Ärzte dürften den Gründen nachgehen.

Mehr: www.die-tagespost.de.

Faika El-Nagashi: Die intellektuelle Faulheit der Progressiven

Auch weil sie das Mantra „Transfrauen sind Frauen“ ablehnt, hat die Feministin Faika El-Nagashi in ihrem linken Umfeld einen „Rufmord“ erlebt. Die kürzlich aus den österreichischen Grünen ausgetretene Politikerin attestiert den Aktivisten des Queer-Feminismus einen inhaltsarmen Dogmatismus.

Im Interview sagt sie:

Die Grünen haben zunehmend eine dogmatische Haltung eingenommen. Früher waren sie dafür bekannt – sogar verrufen – mit vielen Stimmen im Austausch zu stehen und sich auch untereinander öffentlich zu widersprechen. Das ist verloren gegangen.

Besonders sehe ich das beim Gender-Thema. Wenn ich mich wie die Grünen auf eine einzelne feministische Strömung – den Queer-Feminismus – fixiere, führe ich keine echte Auseinandersetzung mehr. Themen wie Prostitution, Migration, Frauenhandel, Armut, soziale Benachteiligung oder alleinerziehende Mütter werden schlicht nicht beachtet. Es geht nur noch um eine symbolische Ebene, keine lebensnahe.

Ich werfe den progressiven Parteien vor, dass sie zu einer intellektuellen Faulheit übergegangen sind. Sie begnügen sich mit Stehsätzen, die für einen Influencer-Feminismus auf TikTok ausreichen, aber nicht, um eigene Positionen zu entwickeln. Eine lebensnahe feministische Auseinandersetzung ist viel härter und voller Widersprüche. Für mich sind Frauenrechte kein Nebenschauplatz – aber dazu werden sie, wenn man sich vor dieser Form von Auseinandersetzung scheut.

Mehr (hinter einer Bezahlschranke): www.welt.de.

Der Missbrauchsfall um den pietistischen Prediger Klaus Vollmer

Ersmalig habe ich im Februar 2022 über die Aufarbeitung des Wirkens von Klaus Vollmer berichtet. Am Dienstag hat nun eine Aufarbeitungskommission der hannoversche Landeskirche einen Bericht vorgelegt. Ich zitiere aus einem ausführlichen Beitrag der FAZ (25.06.2025, Nr. 144, S. 6):

Die Aufarbeitungskommission stieß im Zuge ihrer fast dreijährigen Arbeit zu den „Kleinen Brüdern vom Kreuz“ auf elf Fälle, in denen Vollmer seine geistliche Autorität sexuell ausnutzte. In drei Fällen wurde Vollmer nach den Recherchen der Kommission gegenüber Minderjährigen übergriffig. 

Vollmer bindet die meist aus strikt pietistischem Milieu stammenden Männer an sich und vermittelt ihnen zugleich das Gefühl einer Weite, zu dem explizit auch die Sexualität zählt. Vollmer bezeichnet sie als „Gotteskraft“, die man „gestalten“ müsse. Seine sexuellen Annäherungen rechtfertigt Vollmer unter Verweis auf angebliche verschüttete Traditionen unter arabischen Christen. Bisweilen müssen aber auch bei Vollmer die alten Griechen zur intellektuellen Überwölbung des Geschehens herhalten. Im Vordergrund steht bei ihm allerdings die enge Verzahnung des Missbrauchs mit dem geistlichen Ideal christlicher Bruderliebe. Die vielen homosexuellen Beziehungen, die Vollmer parallel zu seiner Ehe geführt haben soll, waren allerdings keine Sache, über die man in der Bruderschaft offen spricht. Sie fallen in den nur für Eingeweihte zugänglichen Bereich der seelsorgerlichen Beziehung des Meisters zu seinen Jüngern.

Frauen empfindet Vollmer hingegen als gravierende Störung seiner Kreise. Er fordert heiratswillige Brüder daher dazu auf, von solchen Plänen abzulassen. Zum geflügelten Wort entwickelt sich dafür der Satz „Schick deine Inge in den Teich“ sowie die Aufforderung, die jungen Männer sollten nicht so viel „mit ihren Ingen unterwegs sein“.

Kathryn Butler: Zwischen Leben und Tod

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Christoph Jung hat das Buch einer Ärztin gelesen, das sich fundiert mit den oft unklaren Grenzen zwischen Leben und Tod in der Intensivmedizin auseinandersetzt. Fazit:

Kathryn Butler gelingt mit dem Buch das, was sie sich vorgenommen hat. Sie stellt sich der Herausforderung, ein unangenehmes, aber zweifellos dringendes Thema klar und allgemeinverständlich zu erläutern. Inmitten eines medizinisch-technisch-ethischen Dickichts sorgt sie mit klaren, biblisch orientierten Prinzipien und ihrer intensivmedizinischen Erfahrung für notwendige Orientierung. Manche Situationen bleiben auch nach Lektüre des Buches ethisch schwierig und Betroffene werden in konkreten Fällen zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen kommen. Das ändert jedoch nichts daran, dass das Buch nicht nur für Seelsorger oder Pastoren, sondern letztlich für alle interessierten Christen eine wertvolle Entscheidungshilfe bietet.

Mehr: www.evangelium21.net.

Christlicher Antifeminismus als Problem

Die Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (abgekürzt EZW) ist eine direkte historische Nachfolgeorganisation der Apologetischen Centrale (AC), die 1921 gegründet und 1937 unter Gestapo-Druck geschlossen wurde. Die AC wurde von dem Theologen Walter Künneth geleitet. Noch 1995 hat die EZW in ihrem Materialdienst auf diesen Entstehungszusammenhang hingewiesen. Ich zitiere (MATERIALDIENST DER EZW 5/1995, S. 156):

Walter Künneth war eine Schlüsselfigur, weil er ab 1932 die Apologetische Centrale leitete und ihr Profil prägte. Diese Centrale ist der unmittelbare Vorläufer der EZW, die ab 1960 ihre Arbeit fortsetzt – auch dank personeller und inhaltlicher Kontinuität. Die EZW versteht sich damit als Erbin der apologetischen, dokumentierenden und beratenden Arbeit, die Künneth in der AC geprägt hat.

Während einer Tagung der Evangelischen Notgemeinschaft in Deutschland e.V., die vom 31.3. bis 3.4. 1995 in Berlin-Spandau stattfand, wurde die im Aufbau befindliche Arbeit des im letzten Jahr gegründeten Walter-Künneth-Institutes vorgestellt. Das Institut hat die Aufgabe, „Strömungen des Zeitgeistes zu erkennen, seine verborgenen Tendenzen aufzuspüren, anhand biblisch-reformatorischen Schriftzeugnisses zu analysieren, kritisch zu beurteilen und die Ergebnisse für die Arbeit in Kirche und Gesellschaft umzusetzen“. Der erste Vorsitzende des Instituts, Adolf Künneth, verdeutlichte in einem Vortrag Aufgabenstellung und Arbeitsform des Instituts, das personell und institutionell eng der Evangelischen Notgemeinschaft zugeordnet ist und als Instrument zur Intensivierung der Arbeit verstanden werden kann. Künneth, pensionierter Jurist und Sohn des ehemaligen Leiters der Apologetischen Centrale in Berlin (von 1932 bis 1937) und späteren Erlanger Professors für Systematische Theologie, Walter Künneth, nannte in seinem Vortrag (Thema: „Von der , Apologetischen Zentrale‘ zum , Walter-Künneth-Institut‘. Wandel und Kontinuität christlicher Apologetik“) drei zentrale geistige Mächte, von denen sich die apologetische Arbeit heute insbesondere herausfordern lassen müsse und mit denen sich das Institut kritisch auseinandersetzen wolle: 1. Pluralismus bzw. Synkretismus, 2. Feminismus und 3. Sozialismus, der heute oft als Antifaschismus getarnt auftrete. Der Tagungsort, das Johannesstift in Berlin-Spandau, hatte auch symbolische Bedeutung. Bis Ende 1937 befand sich auf diesem Gelände die Apologetische Centrale, deren Arbeit das Walter-Künneth-Institut auf der inhaltlichen Ebene beerben möchte.

Wie sehr sich das Profil der EZW gewandelt hat, geht aus einem aktuellen Beitrag von Katharina Portmann hervor. Während früher die EZW den Feminismus noch als Problem eingestuft hat, ist es heute genau umgekehrt. Wer nicht für den Feminismus kämpft, hat ein Problem. Ich zitiere:

Nach biblizistischer Lesart sind biblische Aussagen direkt verständlich und zeitlos gültig. Am antifeministischen Motiv der Geschlechterkomplementarität, das der biblischen Schöpfungserzählung entnommen wird, lässt sich aufweisen, dass dieses hermeneutische Axiom einer Selbsttäuschung unterliegt. Denn die fragliche biblische Begründung ist blind für den massiven Einfluss der kulturellen Entwicklungen des 19. und 20. Jahrhunderts, die unser heutiges Verständnis von Mann- und Frausein maßgeblich prägen. Im Zuge der industriellen Revolution und des damit wachsenden Wohlstands der Bevölkerung haben sich Arbeitswelt und häusliche Sphäre scharf getrennt und wurden unter den Geschlechtern aufgeteilt. Den Frauen wurden aufgrund ihres Geschlechts und insbesondere aufgrund ihrer Fähigkeit, Kinder zu gebären, spezifische Eigenschaften zugeschrieben, die ihren Aktionsradius auf den häuslichen bzw. privaten Bereich beschränkten, während Männer der Erwerbsarbeit nachgingen und den öffentlichen Raum bestimmten (vgl. Schößler und Wille 2022, 15).

Die Überzeugung, Männer und Frauen seien gleichwertig, aber nicht gleichartig geschaffen, ist folglich kein Resultat der Bibelauslegung, sondern eine Projektion kultureller Selbstverständlichkeiten des 19. und 20. Jahrhunderts in die biblischen Texte. Es tritt klar zutage, dass die Bibel eben nicht losgelöst von kulturellen Vorverständnissen interpretiert werden kann. Die betreffende Geschlechterethik orientiert sich also nicht allein an der biblischen Überlieferung, sondern sucht das zu Beginn des 21. Jahrhunderts ins Wanken geratene Weltbild der beiden vorherigen Jahrhunderte zu zementieren.

Ein weiteres Kernproblem des Biblizismus ist die Ausblendung innerbiblischer Ambivalenzen oder Widersprüchlichkeiten. Auch hiervon ist die Überzeugung von der wertgleichen, aber nicht wesensgleichen Beschaffenheit von Männern und Frauen betroffen. Sie harmonisiert die Fülle von biblischen Beispielen für ein konfliktreiches und ambivalentes Geschlechterverhältnis. Und sie ignoriert dabei die vorhandenen diskriminierenden und sexistischen Passagen der Bibel – man denke nur an das zehnte Gebot, das Frauen als Besitz des Mannes definiert. Die Bibel stammt aus einer Zeit, die von patriarchalen Familien- und Gesellschaftsstrukturen geprägt war – diese Strukturen konsequent zur Norm für unsere Zeit zu erheben, würden sich auch die konservativsten Christen, jedenfalls die Frauen unter ihnen, kaum gefallen lassen.

Schade. Die EZW hat früher gute Materialien geliefert. Inzwischen betreibt die Zentralstelle jedoch vor allem die Apologie des Zeitgeistes. Ich vermute, dass die Experten gar nicht mehr wissen, was ein biblisch-reformatorisches Schriftverständnis ist. 

Mehr: www.ezw-berlin.de.

Das Idol der Popularität

In dem Beitrag „The Idol of Popularity“ beschreibt Tim Challies, wie ihm als Autor Popularität so wichtig wurde, dass er letztlich über die Eifersucht und den Neid in seinem Herzen erschrocken ist. Er bleibt aber nicht bei der Selbstoffenbarung stehen, sondern gibt auch Einblick in einige Lektionen, die er aus diesen Erfahrungen gelernt hat.

Für Schriftsteller ist es leicht, Popularität zu einem Götzen zu machen. Wie kannst Du erkennen, dass Popularität für Dich zum Götzen geworden ist? Vielleicht denkst Du, dass Glück oder Bestätigung nur ein paar tausend Klicks entfernt sind. Oder Du kämpfst mit Gefühlen der Wertlosigkeit und glaubst, dass Dein Wert irgendwie an Deinen Buchverkäufen hängt. Oder Du gehst davon aus, dass sich Gottes Gunst notwendigerweise in mehr verkauften Büchern zeigt – und nicht in weniger. Auf diese und andere Weise kann Popularität leicht zum Götzen werden.

Ich spreche aus eigener Erfahrung, denn ich habe selbst mit diesem Götzen gekämpft. Ich musste radikale Maßnahmen ergreifen, um ihn zu bekämpfen. Es waren radikale Schritte nötig, weil dieser Götze zu Eifersucht und Neid geführt hatte. Ich stellte fest, dass ich nicht nur beliebt sein wollte – ich wollte beliebter sein. Beliebter als jemand anderes. Ich verglich mich mit anderen und sah ihren Erfolg irgendwie als Bedrohung oder Abwertung meines eigenen Erfolgs. Dabei erkannte ich, dass die Sünde des Neids in meinem Herzen Wurzeln geschlagen hatte. Als mir das bewusst wurde, war ich alarmiert, abgestoßen – und entschlossen, diesen Neid aus meinem Leben zu verbannen.

Wenn auch Du versucht bist, Popularität zu Deinem Götzen zu machen – sei es beim Schreiben oder in einem anderen Lebensbereich – dann nimm Dir Folgendes zu Herzen.

Mehr: www.challies.com.

Großbritannien: Abtreibung bis zur Geburt!

Gestern habe ich auf die Debatte um Schwangerschaftsabbrüche in Großbritannien hingewiesen. Gerade eben lese ich bei FAZ online, dass sich offentsichtlich die progressiven Labour-Abgeordneten durchgesetzt haben und demnächst Frauen erlaubt wird, Kinder bis hin zur Geburt abzutreiben. So jedenfalls verstehe ich die Meldung:

In England sollen Frauen, die eine Schwangerschaft beenden, in jedem Falle straflos bleiben, unabhängig von der Frist, in der dies geschieht. Diese Gesetzesänderung geht auf die Initiative einiger Labour-Abgeordneter zurück, die damit argumentierten, dass es in den vergangenen Jahren eine Häufung von Fällen gegeben habe, in denen Frauen bei einem späten Schwangerschaftsabbruch angeklagt und sogar zu Gefängnisstrafen verurteilt worden seien.

In einer Abstimmung ohne Fraktionszwang befürworteten 379 Abgeordnete die Gesetzesänderung, 137 stimmten dagegen.

KATHPRESS erklärt zudem:

Unterstützt wurde der Antrag laut BBC von allen großen Abtreibungsanbietern und 50 Organisationen, etwa der Fachgesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe Royal College of Obstetricians and Gynaecologists (RCOG). Deren Präsidentin, Ranee Thakar, begrüßte die Entscheidung des Parlaments. Die Entscheidung spiegle die Einstellung der Gesellschaft wider, die mit großer Mehrheit das Recht der Frauen unterstütze, vertraulich und ohne Angst vor Verfolgung Zugang zu Abtreibungsverfolgung zu erhalten.

Ich bin entsetzt, wirklich entsetzt. Und zugleich wird mir mal wieder deutlich, was für eine Schutzfunktion die biblische Lehre von der Gottebenbildlichkeit des Menschen hat. Sie begründet die unverlierbare Würde und den Wert jedes Menschen, unabhängig von Leistung, Geschlecht oder Status. Leider wird genau diese Schutzfunktion durch Gottlosigkeit des sich absolut setzenden Menschen überschrieben. HERR, erbarme dich! 

Welche Richtung schlägt die christliche Apologetik ein?

Mit freundlilcher Genehmigung gebe ich hier einen kurzen Beitrag von Douglas Groothius zum Status der christlichen Apologetik wieder. Ich teile übrigens seine Einschätzung (auch wenn ich Psalm 119 nicht auswendig kann ;-).  

Also: 

Die explosionsartige Verbreitung von Apologetik auf YouTube und in Podcasts macht mir Sorgen. Früher gab es kaum Apologetik. Die Menschen lasen keine Bücher, hielten keine Seminare ab, besuchten keine Seminare, predigten keine apologetischen Predigten und setzten Apologetik gegenüber Ungläubigen so gut wie nicht ein! Das ist immer noch ein Problem. Doch jetzt, als alter, unverbesserlicher Philosoph und Apologet, der Bücher liest und schreibt, mache ich mir Sorgen wegen einer billigen Apologetik.

Ideen werden für erhöhte Aufmerksamkeit präsentiert (um Likes, Follower und Abonnenten zu bekommen), ohne dass sie in Studien, Fakten, Logik, Beweisen, Debatten und Dialogen verwurzelt sind – und ohne dass man sich im Gebet um verlorene Seelen und Nationen kümmert.

Jeder öffentliche Apologet sollte mindestens in den folgenden Bereichen kompetent sein:

  1. Haben Sie eine biblische Weltanschauung und können Sie das Evangelium gegenüber falschen Evangelien klar artikulieren? Siehe Galater 1,6–11; 1. Johannes 4,1–6.
  2. Kennen Sie Ihre Bibel? Können Sie wichtige Stellen in der Heiligen Schrift finden, um Argumente zu untermauern und Irrtümer zu widerlegen? Wie viel haben Sie auswendig gelernt? Siehe Psalm 119.
  3. Kennen Sie die Grundzüge der Geschichte der Philosophie?
  4. Kennst du die grundlegenden Lehren der Weltreligionen?
  5. Weißt du, welche Argumente du für bestimmte Themen verwenden kannst, sowohl für das Christentum als auch gegen nichtchristliche Ansichten?
  6. Kennst du die grundlegenden Formen der Argumentation, Induktion, Deduktion, Abduktion, Syllogismen?
  7. Kennst du die grundlegenden logischen Fehlschlüsse, wie man sie erkennt und wie man sie vermeidet?
  8. Können Sie die Grundprinzipien der Rhetorik in Ihrer Verteidigung des Christentums anwenden?
  9. Haben Sie sich mit apologetischen Methoden befasst, sodass Sie diese effektiv anwenden können? 1. Petrus 3,15; Judas 3; Apostelgeschichte 17,16–34.
  10. Kennen Sie die grundlegenden Irrtümer von Sekten und wissen Sie, wie man ihnen begegnet? Kolosser 2,8; 2. Korinther 11,13–15.

Sie müssen nicht all dies wissen, um eine Grundlage für Ihre Hoffnung zu haben, aber wenn Sie sich als öffentlicher Apologet präsentieren, werden Sie an höheren Maßstäben gemessen, nämlich denen eines Lehrers (vgl. Jakobus 3,1–3; Titus 2,7–8; Maleachi 2,7–8).

Solide und kluge apologetische Fähigkeiten erwirbt man nicht im Handumdrehen und ohne Aufwand. Man erlernt sie in der Akademie, in den Schützengräben der Beweisführungen und in langen Stunden des Lesens, Wiederlesens, Schreibens, Umschreibens, Betens, Scheiterns, Gelingens und ohne jemals alles zu wissen. Dann gibt man sein Bestes.

Man kann keine göttliche Apologetik betreiben mit einem Grinsen im Gesicht oder mit Exhibitionismus in der Seele. Vielmehr braucht man das Feuer des Heiligen Geistes in den Knochen (Jeremia 20,9; Apostelgeschichte 20,24), Liebe im Herzen (Matthäus 22,37-39; 1. Korinther 13), Wissen im Verstand (Römer 12,1–2; Kolosser 2,1–3) und ein starkes Rückgrat (1. Johannes 4,4).

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