Wissenschaft

Worüber redet die Evangelische Theologie?

Eve-Maria Becker (Universität Münster) nutzt die Diskussion um eine Vereinfachung des Theologiestudiums (vgl. hier), um zu fragen, worauf sich die Expertise evangelischer Theologen in Zukunft gründen möchte, wenn das exegetische Studium der Heiligen Schrift zurückgefahren werden soll (FAZ, 01.10.2025, Nr. 228, S. N3):

Aus Sicht der Bibelwissenschaften verdecken die gegenwärtigen Diskussionen um das Studienformat den inneren Kern der Kontroverse. Denn in der Sache geht es weniger um Studienmodelle als um die Frage, was künftig vom Studium der Evangelischen Theologie fachlich zu erwarten ist. Worauf soll sich die Expertise Evangelischer Theologen gründen? Auf welches Text- und Lesespektrum sollen ihre hermeneutischen Deutungskompetenzen so gerichtet sein, dass sie zum brennenden Thema des Gottes- und Glaubensverlustes oder zur Zukunft von christusglaubenden Gemeinschaften in gesellschaftlichen Minoritätssituationen sachgerecht Auskunft geben können? Diese und andere Herausforderungen sind wie kaum irgendwo sonst in den Texten der biblischen Literatur deutlich benannt und vorgeprägt. Der vertiefte Blick in die Bibel und ihre Ausleger wie Origenes, Hieronymus, Augustinus, Luther oder Schleiermacher führt in die Gegenwart theologischen Denkens und Arbeitens.

 

„Die Krippenlüge“

Junge Familien, die ihre Kinder noch selbst erziehen oder erst nach dem 3. Lebensjahr in den Kindergarten schicken, geraten oft unter Druck. Dabei gibt es sehr starke Gründe dafür, Kinder nicht zu früh in die Fremdbetreuung zu entlassen. Die Psychologin und ehemalige Kita-Leiterin Anke Ballmann schildert für DIE WELT die drastischen Zustände in der Betreuungskrise. Besonders für Kleinkinder drohten dadurch langfristige Entwicklungsstörungen.

Hier zwei Zitate:

Anke Ballmann fährt gerade im Großraum München von Kita zu Kita und nimmt im Auftrag des bayerischen Sozialministeriums Prüfungen für Quereinsteigerinnen ab, die sich im Schnellverfahren zur pädagogischen Fachkraft ausbilden lassen. In den vergangenen 20 Jahren hat sie als Ausbilderin die Tagesabläufe in mehreren Hundert Kitas verfolgt. Qualitativ gute Kitas seien leider die Ausnahme, schreibt sie in ihrem Buch „Die Krippenlüge“ und fordert, Eltern besser aufzuklären darüber, was besonders eine frühkindliche Betreuung von Kindern unter schlechten Bedingungen anrichten kann.

Erst im dritten Lebensjahr beginnen Kinder, Beziehungen zu Gleichaltrigen zu entwickeln. Vorher spielen sie eher nebeneinander – Parallelspiel–, lernen dabei aber schon durch Beobachtung. Richtiges Miteinander-Spielen, Aushandeln, Teilen und Konfliktlösen entwickelt sich erst im Vorschulalter. Das heißt: Der viel zitierte Sozialisationsvorteil einer sehr frühen Krippenbetreuung ist ein Mythos. Für die soziale Kompetenz ist entscheidend, dass ein Kind zunächst ausreichend Sicherheit, Sprache und Selbstregulation entwickelt.

Mehr (hinter einer Bezahlschranke): www.welt.de.

US-Unternehmen „Orchid“ will die menschliche Fortpflanzung revolutionieren

Laut TAGESPOST bietet das Start-up „Orchid“ ein Ganzgenom-Screening von Embryonen an. Das Verfahren setzt künstliche Befruchtung zwingend voraus. Auf seiner Internetseite gibt das Unternehmen an, es konzentriere sich darauf, „die Risiken der häufigsten Krankheiten sinnvoll zu messen und zu mindern“. Zur Begründung heißt es dort: „Wir möchten werdenden Eltern helfen, ihre zukünftigen Kinder besser vor häufigen chronischen, schwächenden Erkrankungen wie Krebs, Herzerkrankungen, Diabetes und Alzheimer zu schützen.“ Gründerin und Geschäftsführerin von Orchid Health ist Noor Siddiqui. Gefördert wurde sie von dem Transhumanisten Peter Thiel (Mitgründer des Online-Bezahldienstes PayPal). 

Wir erleben hier einen weiteren Schritt hin zur Akzeptanz von Eugenik. Und: Klar, dass mit einem Ganzgenom-Screening von Embryonen die Produktion von Designer-Babies vorbereitet werden könnte. 

Hier geht es zun Artikel: www.die-tagespost.de.

Die Folgen von Geschlechtsumwandlungen erfassen

Das amerikanische Gesundheitssystem kennt bislang keine Diagnose für Menschen, die eine Geschlechtsumwandlung bereuen oder unter Spätfolgen leiden. Der Psychiater Kurt Miceli will das jetzt ändern. DIE TAGESPOST berichtet:

Miceli schlägt … neue Codes vor: für „Geschlechtsidentitätsstörung in Remission“ (Desistenz), für die persönliche Vorgeschichte einer Detransition sowie für „posttransitionale Belastungen“. Außerdem soll die bisherige Sammelkategorie „persönliche Vorgeschichte der Geschlechtsangleichung“ aufgespalten werden – getrennt nach chirurgischen und hormonellen Eingriffen. Ergänzt werden soll ein eigener Code für rein soziale Schritte, etwa Namensänderung oder Brustbinden, die ebenfalls gesundheitliche Folgen haben können. Ziel sei nicht, bestimmte Therapien zu bewerten, sondern die Realität sichtbar zu machen: „Wer nicht kodiert werden kann, existiert für das Gesundheitssystem nicht – und bekommt schlechtere Versorgung“, so Miceli.

In einem Interview mit dem „Washington Examiner“ erklärt der Psychiater, dies sei das erste Mal, dass die CDC die Aufnahme von Codes speziell für Detransitioner in Betracht gezogen habe. „Wir können uns glücklich schätzen, dass wir es sozusagen durch die Bürokratie gebracht haben, und wir freuen uns sehr über die Gelegenheit, dies präsentieren zu dürfen“, so Miceli. Der Psychiater betont, dass eine Remission von Geschlechtsdysphorie nicht automatisch alle Folgen einer Transition aufhebt. Viele Betroffene hätten weiterhin mit medizinischen oder psychischen Belastungen zu kämpfen. Die neuen Klassifikationscodes könnten es ermöglichen, solche Spätfolgen systematisch zu erfassen, Forschung zu verbessern und Patienten eine passgenauere Nachsorge zu bieten. 

„Do No Harm“ kritisiert seit Jahren medizinische Eingriffe bei Minderjährigen und verweist auf internationale Neubewertungen: Großbritannien, Schweden und Finnland haben ihre Leitlinien inzwischen verschärft. Miceli warnte jüngst auf Instagram: „Kinder mit Geschlechtsdysphorie verdienen eine evidenzbasierte, hochwertige Versorgung und keine irreversiblen, experimentellen Eingriffe, die auf Ideologie beruhen.“ Darüber hinaus kritisiert Miceli, dass US-Fachgesellschaften die Standards des Weltverbandes für Transgender-Gesundheit (WPATH) übernommen haben, der aus seiner Sicht Schutzmechanismen geschwächt habe. Stattdessen fordert er sorgfältige psychiatrische Abklärungen, solide Daten und eine offene Debatte. Parallel engagiert er sich gegen Programme nach der Logik von „Diversity, Equity, Inclusion“ (DEI), die seiner Ansicht nach Leistungsprinzipien und fachliche Diskussionen verdrängen.

Mehr: www.die-tagespost.de.

Das Fundament der westlichen Zivilisation bröckelt

Ich gehöre wahrscheinlich zu den wenigen Leuten, die noch der Meinung sind, dass Gott sich in seiner Schöpfung so deutlich vor Augen gestellt hat, dass man ihn erkennen kann, und dass wir Menschen keine Entschuldigung dafür haben, ihm nicht zu danken. Insofern kann ich dem Schweizer Schriftsteller Giuseppe Gracia nicht darin folgen, Gott von dem Verdacht freizusprechen, dass es ihn nicht gibt.

Aber ich weiß, was er mit seinem Plädoyer „Die absolute Menschenwürde war einst garantiert. Heute ist sie verhandelbar“ zeigen möchte und wunderbar zeigt. Er will Europa daran erinnern, was wir verlieren, wenn wir uns gänzlich vom christlichen Erbe verabschieden. Wir verlieren zum Beispiel viel im Raum des Rechts und der ethischen Entscheidung. Die Würde des Menschen pulverisiert. Ein Präferenz-Utilitarismus, wie ihn Peter Singer vertritt, zieht dafür in das westliche Denken und Entscheiden ein:

Singer lehnt die moralisch höhere Gewichtung menschlichen Lebens gegenüber dem tierischen Leben ab. Er postuliert ein Drei-Stufen-Modell des moralischen Status. Auf der tiefsten Stufe stehen Wesen ohne Bewusstsein, auf der zweiten Stufe bewusst empfindende Lebewesen (Tiere oder Neugeborene) und auf der dritten Stufe entwickelte Personen: Damit gemeint sind Lebewesen mit Selbstbewusstsein und Zukunftsbezug, aber nicht nur Menschen, sondern auch Affen oder Delfine.

Solche Lebewesen geniessen nach Singer den höchsten moralischen Schutz, während die Tötung von Wesen ohne Bewusstsein oder Zukunftsbezug ist für den Ethiker weniger problematisch. Gemäss Singer dürfen auch schwerbehinderte Neugeborene unter Umständen getötet werden. Eine Position, die 2015 breite Kritik auslöste, nicht nur von Behindertenverbänden, sondern auch von Politikern, Ethikern und Theologen.

Der Präferenz-Utilitarismus läuft auf eine ethische Kosten-Nutzen-Rechnung hinaus, mit welcher der Wert eines Lebens bestimmt wird, gemessen am Interesse aller. Das Ziel ist eine ausgewogene Gesamtbilanz. Das steht im Gegensatz zur klassischen Idee einer Würde des Menschen, die voraussetzungslos und in jeder Lebensphase gilt.

Und so stehen wir vor der Wahl: 

Deswegen hat Guardini vor 75 Jahren prophezeit: Statt der absoluten Menschenwürdegarantie wird es in Zukunft „Wertedebatten“ geben, bis man schliesslich alle Werte zu Sentimentalitäten erklären wird, um sie ganz aufzugeben.

Das führt zur Frage, wie eine rechnende Hightech-Zivilisation menschlich bleiben kann. Entweder wird der Wert des Lebens von Experten einer nutzenorientierten Ethik oder Rechtsprechung festgelegt. Oder aber der Mensch glaubt auch in Zukunft an eine absolute Würde, die von Gott kommt, so dass niemand das Recht hat, sie zum Gegenstand einer Güterabwägung zu machen.

Politiker, Medienschaffende und Bischöfe, die sich gegen die Berufung von Brosius-Gersdorf ans Bundesverfassungsgericht ausgesprochen haben, sind gut beraten, sich der ganzen Dimension des Falles zu stellen und einen möglichst breiten Diskurs zu fördern. Einen Diskurs, der klarmacht: Es geht nicht um linke oder rechte Richter, um ideologische oder verfassungsrechtliche Differenzen, sondern um den vorpolitischen Raum der Grundüberzeugungen, um das Fundament der westlichen Zivilisation. Dieses steht auf dem Spiel, wenn in Europa Millionen von Menschen glauben, eine Zukunft ohne Christentum werde mehr Freiheit und Toleranz bringen – ohne sich darüber im Klaren zu sein, wohin die Abwesenheit einer göttlichen Menschenwürdegarantie führt.

Bürgerlich-konservative Kreise mögen so tun, als sei es möglich, ohne Rekurs auf Gott an säkularisierten Christlichkeiten festzuhalten, durch das mediale Beschwören entsprechender „Werte“ oder die Berufung auf ein C im Parteiprogramm, das seine religiöse Substanz verloren hat. In Wahrheit besitzt Gott für die Mehrheitsgesellschaft keine lebenspraktische Relevanz mehr. Man lebt, als würde sich der Mensch selber machen und als müsse man es nicht länger hinnehmen, über das subjektive Empfinden und Wollen hinaus eine ewige Wahrheit zu akzeptieren. Relativismus und Utilitarismus sind dann die passenden Philosophien.

Hier: www.nzz.ch.

Strenge als Ausdruck von Liebe

Katharine Birbalsingh gilt als Großbritanniens strengste Direktorin. Ihre Schüler aus dem Problemviertel sind allerdings heute Elite. Wie kann das gelingen. Mit Geradlinigkeit und Disziplin.

Ich zitiere (DIE ZEIT, 03.07.2025, Nr. 28, S. 31):

Die Michaela School ist keine dieser teuren privaten Anstalten mit Kricketplatz, Schwimmhalle oder neogotischen Speisesälen, wie es sie in England häufig gibt. Die rund 700 Schülerinnen und Schüler sind in einem hässlichen sechsstöckigen Zweckbau-Brocken in Wembley untergebracht. Der Bezirk ist einer der ärmsten Stadtteile der britischen Hauptstadt. Weniger als ein Drittel seiner Einwohner sind in Großbritannien geboren. Der asphaltierte und hoch umzäunte Pausenhof ist ein ehemaliger Parkplatz, daneben verläuft eine Bahntrasse.

Was man über die Schule auch noch wissen muss: Sie war in den vergangenen drei Jahren eine der erfolgreichsten Großbritanniens. Laut dem Fortschrittsindex, den die britische Schulaufsichtsbehörde Ofsted ermittelt, erreichen die MichaelaAbsolventen den größten Leistungszuwachs in der Altersgruppe der elf- bis sechzehnjährigen Schülerinnen und Schüler. Zuletzt schafften es 80 Prozent von ihnen an eine britische Elite-Universität.

Wie macht die Schule das? In Birbalsinghs Büro begrüßt Russell Crowe den Besucher mit einer Antwort in drei Worten. Direkt neben dem Schreibtisch der Direktorin steht ein Pappaufsteller des Schauspielers als Gladiator aus dem gleichnamigen Film. Darauf ist ein Schriftzug angebracht: »Hold the line.« Die Stellung halten, damit meint Birbalsingh, dass Lehrkräfte oder Eltern niemals einknicken dürften vor den Kindern. Nie dürften sie in den einfachen Ausweg flüchten oder falsche Nachsicht üben. »Wenn ein Kind dich mit großen Augen anschaut, möchte man ihm natürlich am liebsten seine Wünsche erfüllen. Aber wenn man das andauernd tut, dann werden aus diesen Kindern Erwachsene, die man nicht mehr so nett findet.« Erwachsene, meint sie damit, die glauben, auf alles einen Anspruch zu haben, egal, was sie dazu beitragen. Nach Birbalsinghs Ansicht äußert sich in Strenge vor allem deswegen Liebe, weil sie zu Chancengerechtigkeit führe. »Wir haben hier viele Kinder aus Verhältnissen, in denen es zu Hause keine Bücher gibt, wo beim Essen nicht über Politik gesprochen wird oder man sonntags nicht ins Museum geht. Die Kinder sind also allein auf die Schule angewiesen, um das zu lernen, was sie für ein erfolgreiches Leben brauchen.« Wenn Lehrer ihnen das nicht böten, aus Angst, zu viel von ihnen zu erwarten, dann schadeten sie genau damit am Ende den Kindern.

Kathryn Butler: Zwischen Leben und Tod

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Christoph Jung hat das Buch einer Ärztin gelesen, das sich fundiert mit den oft unklaren Grenzen zwischen Leben und Tod in der Intensivmedizin auseinandersetzt. Fazit:

Kathryn Butler gelingt mit dem Buch das, was sie sich vorgenommen hat. Sie stellt sich der Herausforderung, ein unangenehmes, aber zweifellos dringendes Thema klar und allgemeinverständlich zu erläutern. Inmitten eines medizinisch-technisch-ethischen Dickichts sorgt sie mit klaren, biblisch orientierten Prinzipien und ihrer intensivmedizinischen Erfahrung für notwendige Orientierung. Manche Situationen bleiben auch nach Lektüre des Buches ethisch schwierig und Betroffene werden in konkreten Fällen zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen kommen. Das ändert jedoch nichts daran, dass das Buch nicht nur für Seelsorger oder Pastoren, sondern letztlich für alle interessierten Christen eine wertvolle Entscheidungshilfe bietet.

Mehr: www.evangelium21.net.

Bürgerkrieg der Ideen

Die Professorin Sheila Jasanoff ist Wissenschaftssoziologin an der Harvard-Universität (USA). Sie spürt dort den Druck, der von der Trump-Regierung ausgeübt wird (vgl. hier). Doch in einem Interview, das DIE ZEIT mit ihr geführt hat, wird deutlich, wie differenziert sie die Entwicklungen beurteilt. Die Wurzeln für die Spaltung der Gesellschaft lägen tiefer als das gemeinhin kommuniziert werde. Ein paar Auszüge aus dem Gespräch zeigen, dass die fehlende Fähigkeit, zwischen Fakten, ihren Deutungen sowie den politischen Anwendungen zu unterscheiden, für die Polarisierungen mitverantwortlich ist (DIE ZEIT, Nr. 23, 28.05.2025, S. 31):

Die liberale Erzählung und ihr Verhältnis zur Wahrheit sind unglaubwürdig geworden. Der Liberalismus in Amerika gründet auf der Überzeugung, dass Fakten von der Wissenschaft objektiv definiert werden können und dass, sobald alle Menschen Zugang zu denselben Fakten haben, Rationalität und Eigeninteresse sie dazu bringen werden, das zu tun, was im Interesse aller ist. Aber wenn Menschen eine Reihe an Behauptungen über die Welt glauben sollen, aus denen politische Handlungen abgeleitet werden, müssen sie im Einklang mit der Realität stehen, die die Menschen erleben. Sie müssen überzeugen. Das war zunehmend nicht mehr der Fall.

Besonders deutlich wurde es in den Reaktionen auf die Klima- und Covid-Politik. Wissenschaftler bewerten ein Problem als katastrophal, und Politiker beschließen deshalb, dass wir unsere Lebensweise ändern müssen, und zwar ohne Diskussion – das war für viele Menschen nicht nachvollziehbar. Nicht weil sie nicht anerkennen, dass eine Pandemie schädlich ist oder der Klimawandel existiert. Studien zeigen, dass die amerikanische Öffentlichkeit insgesamt mehr und mehr von der Realität des Klimawandels überzeugt ist. Die Menschen glauben nicht unbedingt, dass sie persönlich davon betroffen sind, und ganz sicher nicht, dass sie dafür verantwortlich sind. Aber immerhin erkennen sie an, dass er existiert. Was sie jedoch nicht anerkennen, ist die Behauptung der Liberalen, dass es nur eine richtige politische Antwort auf diese Probleme geben kann. Deshalb entscheidet sich die Mehrheit in diesem Land mittlerweile dafür, alle politischen Maßnahmen, die dem Klimawandel entgegenwirken würden, abzulehnen.

Die Wissenschaftsgemeinschaft war leider nie wirklich bereit, zu reflektieren, dass sich aus Forschungsergebnissen keine bindenden Handlungsempfehlungen ergeben. Man hat ignoriert, dass die Entscheidungen, die in ihrem Namen getroffen wurden, nicht für alle Menschen gleich tragbar waren. Dass etwa Arbeiter aus den Kohlekraftwerken in den USA im Rahmen der Klimawende ihre Jobs verlieren werden oder Landwirte in Frankreich und Deutschland plötzlich mit steigenden Dieselpreisen zu kämpfen haben. Die Wissenschaft, so schien es, hilft nicht allen Menschen im gleichen Maße. Dabei soll sie ja den Fortschritt der ganzen Gesellschaft antreiben. Und so ist das Gefühl gewachsen, dass es eine unheilige Allianz zwischen Macht und Wissen gibt.

Während des ersten Covid-Sommers habe ich eines der wenigen Einführungsseminare in Präsenz an der Kennedy School hier auf dem Campus gegeben, damit die Studierenden sich wenigstens kurz von Mensch zu Mensch begegnen. Angesichts der damaligen Situation dachte ich, es sei interessant, mit ihnen zu diskutieren, wie die Politik mit der Unsicherheit umgehen soll. Wir lasen unterschiedliche Artikel, die zeigten, dass es in bestimmten Fragen keinen Konsens gab, welche Maßnahmen die richtigen seien, etwa ab wie viel Jahren Kinder eine Maske tragen müssten. Es wurde deutlich, dass die Entscheidungen recht willkürlich und von Ort zu Ort unterschiedlich getroffen wurden. Aber die Studierenden hatten keinerlei Interesse daran, den Prozess der politischen Entscheidungsfindung zu diskutieren. Sie wollten über Coronaleugner sprechen, aber sie wollten nicht erörtern, wie man unter unsicheren Bedingungen eine begründete Entscheidung trifft. Das empfand ich als sehr bezeichnend.

 

 

USA: Wenn Forschungsberichte mit KI erstellt werden

Wenn sogar Regierungen ihre Berichte mit Künstlicher Intelligenz erstellen, sagt das etwas über die Behördenmitarbeiter aus. Doch es kommt noch etwas hinzu: Die Ergebnisse sind erfunden. Der Bericht unter der Leitung von Robert F. Kennedy Jr., dem Sekretär für Gesundheit und Humandienste, sollte die Gründe für den Rückgang der Lebenserwartung der Amerikaner aufzeigen. Wie sich nun herausstellt, wurde der Bericht mit KI erstellt und wertlos.

Die Zeitung THE WASHINGTON POST berichtet: 

Einige der Zitate, die die Wissenschaft im weitreichenden „MAHA-Bericht“ des Weißen Hauses untermauern, scheinen mit Hilfe künstlicher Intelligenz erstellt worden zu sein, was zu zahlreichen verstümmelten wissenschaftlichen Verweisen und erfundenen Studien führt, so KI-Experten am Donnerstag.

Von den 522 Fußnoten zu wissenschaftlichen Untersuchungen in einer ersten Version des Berichts, die der Washington Post zugesandt wurde, tauchen mindestens 37 mehrfach auf, wie eine Überprüfung des Berichts durch The Post ergab. Andere Zitate enthalten den falschen Autor, und mehrere Studien, die in dem umfangreichen Gesundheitsbericht zitiert werden, existieren überhaupt nicht, worüber das Online-Nachrichtenportal NOTUS am Donnerstagmorgen zuerst berichtete.

Einige Verweise enthalten „oaicite“ in den URLs – ein eindeutiges Zeichen dafür, dass die Forschung mit Hilfe künstlicher Intelligenz gesammelt wurde. Das Vorhandensein von „oaicite“ ist ein Zeichen dafür, dass OpenAI, ein US-amerikanisches Unternehmen für künstliche Intelligenz, verwendet wurde. Ein häufiges Merkmal von KI-Chatbots wie ChatGPT sind ungewöhnlich sich wiederholende Inhalte, die nicht menschlich klingen oder ungenau sind, sowie die Tendenz, Studien oder Antworten zu „halluzinieren“, die sinnvoll erscheinen, aber nicht real sind.

Mehr: www.washingtonpost.com.

Die Studenten glauben zum Teil alles

Zu viele Studenten seien an den Hochschulen fehl am Platz, sagt Michael Sommer, Geschichtsprofessor an der Uni Oldenburg. Schon das Lesen von mittelschweren Texten bereite einem Großteil Schwierigkeiten. Er warnt vor einer „Gesellschaft von strukturellen Analphabeten“.

Zitat: 

Die Gründe sind vielfältig und ziehen sich meiner Beobachtung nach durch die ganze Lernbiografie. Das fängt bei den Elternhäusern an, in denen im frühkindlichen Bereich oftmals nicht mehr vorgelesen wird. Wo es kaum Bücher gibt, wo Texte kaum eine Rolle spielen. Später in den Schulen gibt es dann als Feedback sinngemäß vor allem: Ja, ihr seid super, mit euch ist nichts falsch. Und dann ist es auch die Gesellschaft, die leistungsorientiertes Verhalten unter Generalverdacht stellt: Wer gut ist, wer sich streckt und viel arbeitet, der ist ein Streber. Die anderen Faktoren lassen sich auch international beobachten, aber diese Leistungsfeindlichkeit ist ein deutscher Spezialfall. In fast allen Ländern sind die Leistungsstarken die ‚Cool Kids‘. Bei uns sind an den Schulen die Leistungsschwachen und Faulen die ‚Cool Kids‘.

Mehr (hinter einer Bezahlschranke): www.welt.de.

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